Festspiele024 jenseits von Bruckner

„Hänsel & Gretel“ am Grünen Hügel?

„Schwachsinnig“, „Blasphemie“, „Sakrileg“: So und so ähnlich lauten die Kommentare zu einem Vorschlag der deutschen Kulturministerin Claudia Roth (Grüne). Sie plädierte dafür, neben Werken Richard Wagners auf dem Grünen Hügel in Bayreuth künftig auch solche anderer Komponisten aufzuführen. Sie erntete dafür nicht nur einen Shitstorm vonseiten der Wagnerianer, sondern auch politischen Gegenwind …

Der alljährliche Sager oder Miniskandal zum Festspielstart

Allroundgenie & Meister aller Meister R. Wagner hat 1876 die ersten Festspiele in die Welt gesetzt und als gewiefter Manager mit Marken-Schläue u. a. selbstbewusst als Alleinstellungsmerkmal ausschließlich seine Werke auf den Spielplan gesetzt – damals überschaubar: Den Ring des Nibelungen und 1882 das Bühnenweihefestspiel Parsifal. Fünf weitere seiner Werke wurden von Cosima und den Nachkommen ins spätere Festspielgeschehen integriert. 2026 soll nun das Frühwerk Rienzi anlässlich 150 Jahre Bayreuther Festspiele zur Aufführung gelangen.

„Blasphemie“ & „Sakrileg“ dürfen wir vernachlässigen, „Schwachsinn“ wär’s allerdings schon eher die Marke durch Hereinnahme von Stücken anderer Komponisten zu gefährden. Die von Roth erwähnte Märchenoper von  Engelbert Humperdinck gehört wie dessen Königskinder zu den Blüten des Genres. Weiters war der Komponist Mitarbeiter bei der UA des Parsifals und Kompositionslehrer des Wagner-Sohns Siegfried, der ebenfalls Märchenopern schuf. Ungeachtet dessen ändert dies nichts an der unabdingbar notwendigen Beibehaltung der Exklusivität. Der Verweis man würde damit junges Publikum anlocken ist zu bezweifeln, da in jenem Fall eine altersgerechte Aufbereitung von Werken deutlich zielführender ist – eine schon gängige Praxis, die dankenswerterweise von Festspielleiterin Katharina Wagner seit Jahren sehr erfolgreich auf der Probebühne am Grünen Hügel gepflegt wird – Begeisterte Kinder erleben dort gekürzten, aber hochqualitativen Wagner mit Festspielkünstlern erster Sahne. Jugendlichen und jungen Erwachsenen darf Wagner im Original zugemutet werden. Walküren-Varianten in Tiktok-Modus und –Kürze zum Vorglühen sind da ebenso erlaubt, wie einstKay Warner plays Wagner“ in den 70ern oder bereits im 19. Jahrhundert die Siegfried Ochs-Späße

( Hier noch eine Kuriosität zum Anhören: Der Nibelungenmarsch )

2025 werden die Bayreuther Meistersinger vom Linzer Musicalchef M. Davids inszeniert <<<

S Dalis Tristan

Bayreuther T r i s t a n 024 auf Halde

Als Premiere gab’s heuer überraschend einen neuen „Tristan“, obwohl der vorige 022er in der Regie von Roland Schwab in der hervorragenden musikalischen Leitung unseres Maestros Markus Poschner noch taufrisch und erst im 2. Jahr (mit nur 2 Vorstellungen) faktisch ungebraucht noch wie neu war. Die „Fassung024“ in der Regie des Isländers Thorleifur Örn Arnarsson beginnt mit einem fast Neu-Bayreuth’schem Bühnen/Kostümbild: Isolde (C. Nylund) bearbeitet ihr, einen Teil des Bühnenbodens bedeckendes, weißes Kleid kalligraphisch mit Textstellen aus dem Schlussgesang – ein schöner interessanter Ansatz, aus dem man was machen hätte können* … Im 2. Akt finden wir uns nach einer neutralen Einleitung mit schwarzem Background nach dem Erlöschen der Leuchte im schummrigen Frachtraum einer unaufgeräumten Beziehung wieder – Metaphorische Versatzstücke* (aus früheren Inszenierungen / früherem Leben) lassen beim Liebesduett keine Stimmung aufkommen, Melot will aufräumen und der König ist verstimmt. Als Marke verlässlich G. Groissböck. Perfekt, wie schon im 1. Akt: Brangäne Ch. Mayer.  Der 3. Akt gehörte dem ausgezeichneten Tristan (A. Schager) und seinem Kurwenal (O. Sigurdarson), die auf einer Halde* (einer quasi Hinterbühne) prächtig dem Ende entgegen sangen. Je später der Abend desto erfreulicher das anfangs sehr gedehnte Dirigat von Semyon Bychkov. Beim Schlussgesang Isoldens hätte deren ausladendes Kleid (Akt 1) in einen zentralen Background-Vorhang* mutieren können, während sich die umgebende Öde im Dunkel der Weltennacht auflöst …

Wir jedenfalls dürfen uns (wahrscheinlich Dank M. Poschner) beim Festakt am 4. September in St. Florian auf eine Bayreuth-Besetzung bei Bruckners Te Deum freuen: Piotr Beczala (Lohengrin ab 018), Michael Volle (Sachs ab 017, Holländer jetzt!), sowie aus dem heurigen Tristan:  Camilla Nylund (Isolde) & Christa Mayer (Brangäne)

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Bregenzer Freischütz 024 frei nach (/) von v. Weber

Gustav Gründgens Mephisto lässt grüßen, plappert dabei aber auf eigene Faust souverän agierend (Moritz von Treuenfels) bloß Knittelverse der Regie

Vorweg: Der Teufel steckt hier in jedem Detail – das beginnt bereits bei der Rahmengeschichte, die noch vor der Ouvertüre einsetzt, wo sich dieser aus dem Begräbnispriester schält bis zum von ihm angezettelten 2. Finale. Frei nach C. M. von Weber, da die Regie einen bildhaft opulenten Schaueroperntorso geeignet für den Seebühnentourismus entwarf mit großartig kurzweiligen Szenen, aber mit nur wenig Rücksicht auf das Original, welches inhaltlich und textlich nur als Vorlage diente: Schon bei der Ouvertüre fanden die Musikmotive nur ungefähren Bezug zu den Bildern & Personen.

Das Bühnenbild und die Kostüme weckten hohe Erwartungen: Wie schon beim Linzer „Findling“ war man in einer Bosch/Breughel-Welt – im Fall des Freischützes in einer surrealen, winterlichen (erfreulich bei über 30 Grad) Teichlandschaft eines halbversunkenen Dorfs. Noch nie war die Gespensteroper Webers so nah am Wasser ihres Zwillings des „Fliegenden Holländers“ gebaut. Wenn der dunkle Kaspar ( ausgezeichnet Christof Fischesser) mit seinem Boot unheilvoll durch den Teich pflügt, begleitet vom rot gewandeten Mephisto Samiel – einem Segel gleich. Der arg verwässerte Weber, bei dem in der Regie von Phillip Stölzl alle „nautisch“ agieren müssen schreit nach einer Änderung des Stücktitels: „Der Freischwimmer“ drängt sich förmlich auf … Hier schließt sich dann der Kreis: Während beim Bodensee-Freischütz geschwommen wird, wird beim jetzigen Bayreuther Holländer herum geballert ! Bin schon auf die diesbezügliche Linzer Umsetzung025 gespannt – der hiesige Freischütz war da ja bereits sehr vielversprechend …

Nicht nur Max (ideal M Peter) hat einen Schuss

In Bregenz war die Regie bemüht Arien zu kürzen, von Samiel bequatschen zu lassen und mit Action aufzupeppen, ohne Vertrauen in die Kraft der Musik – eine Krankheit des modernen Regietheaters. Sänger-Team & Dirigent E. Mazzola hätten das schon locker geschafft. Am besten gelang auf der Sommerseebühne erwartungsgemäß die Wolfsschlucht-Szene – hier explodiert das Winterwasser-Gruselstück im Kugelsegen – mit Riesenschlange, Feuerwasserkreis, usw. …

Pausenlos gings damit ins Finale: Mit gehörnten Blumenmädchen zum Jungfernkranz. Davor umplanschen synchronschwimmende „Rheintöchter“ (vom Bodensee) die Eisscholle von Ännchen (gut besetzt mit K Ruckgaber), die von der Regie um ihre Arie „Einst träumte meiner sel’gen Base“ betrogen wird, ohne Einspruch der Dramaturgie, die dafür mindesten ein Probe(n)jahr ausfassen müsste  … Da überrascht dann auch nur mehr marginal, dass die schwangere (!), vom lesbischen Ännchen umkämpfte Agathe (N Hillebrand) letztendlich vom Teufel zugunsten eines Happyends verschont wird, falls dieser den rettenden Eremiten spielen darf, der einem Popen gleich als Deus ex Machina von oben erscheint.

Wer rein ist von Herzen und schuldlos im Leben,
Darf kindlich der Milde des Vaters vertraun!

Den Freischütz-Touristen gefällt die Szenerie – Ende gut – Alles gut <<<

Manfred Pilsz

Vor 70 Jahren hatten nicht nur Störche, sondern auch die Bayreuther Festspiele Pause: Am spielfreien Tag zwischen einem Parsifal am 5. und einem Lohengrin am 7. August 1954 wurde ein Schwan bemüht auf der Hochwasser führenden Donau ins überschwemmte Linz ein Kind per Gondel zu liefern. Tags darauf hätte der kleine Knabe seine 1. Gralserzählung (Windgassen) hören können. Aus verständlichen Gründen passierte dies erst Jahre später …

Ein echter Hörl-Wagner, 2 BT 1954er-Programmhefte & 1 neuer „Hirschkäfer“

Radio FRO: August-Sendung der Bruckner024EXPO <<<

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