Ein lauter werdendes Rascheln löst das ferne, heisere Krächzen von Krähen und Raben ab. Im fahlen Licht Schritte, die das dichte, welke Laub teilen, das den Weg dem suchenden Blick meist nur kurz preisgibt. Ringsum klingt alles fast so wie in Watte gepackt, ganz ähnlich wie an einem Hochwintermorgen hier auf der Gugl, wenn dicke, frische Schneebauschen im Park mitten in der Stadt für Dämpfung, ja eisige Stille sorgen. An der Kuppe angekommen zeichnet sich unten im Nebel dunkel leuchtend das Kardinalsrot eines einsamen Blutahornbaums am Boden rund um den Stamm und nur noch recht schütter im Geäst seiner Krone ab. Aus dem sonst eher falben, bräunlichen Laubteppich flammen einzelne, knallgelbe, frische Blätter auf, die auch auf der glatten Oberfläche eines schmalen Bachs in unterschiedlichsten Formen treiben. Ein heftiges Rauschen hebt an, als der wilde Novemberwind in den Mischwald fährt und jede Menge an Nachschub vom Himmel segeln lässt. Inmitten des dunklen Nadelgehölzes ein kalter, bemooster Steintisch …
Stell auf den Tisch die duftenden Reseden,
Die letzten roten Astern trag herbei,
Und lass uns wieder von der Liebe reden, Wie einst im Mai.
„Der November ist der Mai des Herbstes“
Gedanken und Rückblenden zum sonst eher ungeliebten Frühling, dem Vorboten des meist unerträglichen Sommers kommen plötzlich auf, ausgelöst durch die Steinstatuetten eines Liebespaars: Ausgebreitete Arme eines jungen Mädchens im Dirndlkleid zwischen hohen französischen Hecken – Bilder aus längst vergangenen Tagen werden kurz wieder wach, um bereits im nächsten Moment sich wieder im angenehm unaufgeregten Herbst aufzulösen und abzudunkeln. Auf einem massiven, felsenartigen Stein zeichnet sich der feingliedrige Schatten einer Frauenhand ab …
Gib mir die Hand, dass ich sie heimlich drücke
Und wenn man’s sieht, mir ist es einerlei,
Gib mir nur einen deiner süßen Blicke, Wie einst im Mai.
Im Mai 1864 verstarb der Dichter dieser Zeilen Hermann von Gilm in Linz, wohin er zehn Jahre zuvor gezogen war. Am 1. November 1812 in Tirol geboren war Gilm hier an der Donau als Leiter des Präsidialbüros tätig, „unerhört“ verliebt und nur kurz verheiratet.
Am 31. Oktober 1885 hat und der damals junge 21jährige Komponist Richard Strauss die Musik zu Gilms Text geschenkt. Ob der Sänger die Rolle des Trauernden oder des Toten einnimmt bleibt ebenso offen, wie das Verhältnis der beiden zueinander. In unserem Film „Wie einst im Mai“ steht eine junge Frau am Allerseelentag vor einem Grab in einem Waldfriedhof. Es entsteht ein Stimmungsbild bei dem sich die Handlung selbst auf einen inneren Dialog beschränkt, der aus realen, herbstlichen Sequenzen und rein gedanklich emotionalen Rückblenden besteht. Ob der singende Betrauerte nun der tote Liebste, ein Freund, der Bruder, Vater oder gar ein verehrter Fremder ist, dem die Worte in den Mund gelegt werden – wir können es nur vermuten, es uns aussuchen es auch dabei lassen …
Es blüht und duftet heut auf jedem Grabe,
Ein Tag im Jahre ist ja den Toten frei,
Komm an mein Herz, dass ich dich wieder habe, Wie einst im Mai
„Allerseelen“ – Konzertaufnahme mit dem BLOG-Autor als Sänger (80er Jahre)
Nach der wie üblich heißen Sommerdepression war er nun in seinem Herbst-Highlife voll angekommen. Wenn die Donau morgendlich dampft und genüsslich in dicken Wattewölkchen im Flussbett vor sich hin gurgelt, wenn das Mühl4tel in „Indian Summer -Farben“ erstrahlt und die Gastgärten am Nachmittag ohne Sonnenschirme auskommen, meist abendlich mit Wärmeschwammerln und/oder -decken ausgestattet werden, dann ist endlich wieder seine Zeit gekommen.
Jetzt aber empfängt ihn ein eiskalter Windstoss, als hinter ihm die Autotür schwer ins Schloss fällt. Nur noch das Geräusch der Verriegelung, dann wird es still. Im Eck des Schulhofs sieht es so echt verlassen aus, obwohl in einiger Entfernung vereinzelte Fahrzeuge parken. Eine für diesen Ort ungewöhnliche Ruhe, als würde das ganze Haus an einer Schularbeit laborieren. Herbstferien? (– so erfreulich wie 2012) Alle Fenster sind dicht verriegelt. Dafür sorgen wohl die plötzlich aufgetretenen Minusgrade. Jacke zu und den extra langen Schal vor den Mund denkt er. Doch seit kurzer Zeit gilt ja ein allgemeines Vermummungsverbot. Sein Hausarzt urlaubt gerade wieder mal auf einer spanischen Insel. Mit einer ärztlichen Verschreibung wäre ein Wollschal bei dieser Temperatur machbar, aber ohne Fachexpertise … Lachend beschließt er es zu riskieren, denn die aktuelle Grippeimpfung ist noch ausständig und zur Not gibt es unter seinen Exschülern genug Ärzte, die ihn im Nachhinein noch exkulpieren würden. Die Stadt versinkt in einer dicken Nebelsuppe, fehlen nur noch erste fette Schneeflocken und ein wenig Hausbrandgeruch (olfaktorische Kindheitserinnerung der noch frühen 60er in Urfahr) zum vollkommenen Spätherbstglück, wenn nicht die bittere Kälte wär. Selbst dem extrabreiten Schal gelingt es nicht das Gesicht eisfrei zu halten. Aber was solls, nicht jammern während die werktätige Bevölkerung der Arbeit nachgeht, darf der selige Pensionist gemütlich in die Stadt flanieren, wenngleich es heute nicht wie sonst üblich ins Cafe geht. Vor wenigen Tagen saß er noch bei Schokokuchen und einer Melange im „Brückl“ als er wie früher in seiner „Aktivzeit“ zum „media literacy award“ fuhr, einem Jugendmedienfestival (vergleichbar mit der YOUKI Ende November) der ersten Sahne, das alljährlich kurz vor der Viennale im Wiener Dschungel über die Bühne geht – „Vienna calling“ – da war er im vollen Leben: „Hallo Wien“ … ganz anders heute zu Halloween …
Neben dem Zebrastreifen keine ungeduldig wartenden Autos, geschweige denn auf ihm entgegenkommendes Fußvolk. Es ist verdammt dunkel, als er über den kurzen Trampelpfad den „Roten Platz“ erreicht. Eben hatte er noch das Gefühl, dass er von hinten Gesellschaft bekäme, doch da ist nichts. Keine Menschenseele verirrt sich an diesem frühen Vormittag in die Innenstadt. Gibt’s soviel Evangelische, die heute frei haben und lieber daheim bleiben bei dem Wetter?
Und dann ein gespenstischer Anblick: Auf einem übrig gebliebenen Gastgartentisch thront ein überdimensional großer Kürbisschädel. Der geschnitzte Mund und die geschlitzten Augen flackern unruhig, obwohl hier zwischen den Häusern kaum ein Windhauch spürbar ist. Als er die unheimliche Stätte quert, vermeint er hinter sich wieder Geräusche zu hören. Während er unter tags speziell von kleinen Kindern, die aufgeregt an Mutters Mantel zupfen in den Monaten vor Weihnachten als Nikolaus oder Weihnachtsmann wahrgenommen wird, wechseln normalerweise wenn er nächtens nach hause geht in den nicht ganz so hellen Gassen Leute eher ängstlich die Straßenseite. Die die es nicht tun, denen würde er jetzt eher lieber nicht begegnen. Mit etwas rascherem Schritt nähert er sich diagonal der Gasse die ihn zu seinem Ziel bringen sollte. Am anderen Ende des düsteren Zubringers gleitet in großer Entfernung im angemessenen Schritttempo ein erleuchteter Straßenbahnzug vorüber. Dann übernimmt wieder eine alte Straßenlaterne in deren zum Rand hin schwächer werdendem Lichtkreis sich die Umrisse einer einsamen Bank abzeichnen. An sich ein vertrauter Platz, den er mindestens einmal zu Monatsbeginn aufsucht. Meist nützt er sein dortiges Verweilen zu einem informativen Gespräch, ohne ungesunder Hektik. Ein gemütlicher Ort der Ruhe. Doch heute: Schon wieder diese Geräusche, oder ist es Musik? Ja, es könnte eine Spieluhr sein. Dunkle Filmbilder steigen in ihm hoch. Er will sich nicht umdrehen, doch vielleicht kommt es ja von der Bank her. Kurz stockt er, als er einer Gestalt gewahr wird die neben der Bank aus dem Dunkel auftaucht: Eine spitze, rote Kapuze und irgend etwas blitzt darunter auf – eine Figur wie in „Wenn die Gondeln Trauer tragen“?
Oder ist es gar einer dieser idiotischen Horrorclowns? Die Musik wird überfallsartig laut, die automatische Türe der Bank hatte sich geöffnet und er taucht ein in den Weltspartag. Der Pappendeckel-Sparefroh diese traurige Erscheinung neben dem Eingang muss draußen bleiben und bei faktisch Null Prozent Zinsen (bestenfalls angesiedelt im inflationären Promille-Bereich) wird wohl auch die Euro-Maja „Sumsi“ dem Bienensterben & das Sparschwein der Pest anheim gefallen sein – Ebenso ex wie die horriblen Geschenke für anleihen- und anderweitig risikoresistente „Draufzahler“. Der „Weltspartag“: Leider nur eine „Nullnummer“ trotz angeblich prosperierender Wirtschaftszahlen ! In Kinderzeiten war das noch ganz anders: Mit wenig in der Sparbüchse war man hin gegangen und mit einem Sack voller Geschenke wieder nach Hause gekommen. Zuvor hatte man bereits beim „Schulsparen“ abgeräumt …
Josef Hader (ganz kurz „Privat“)
Früher in weltwirtschaftskrisenfreien Erntedank-Zeiten traf man sich allherbstlich im Palais des Kaufmännischen Vereins Ende Oktober & besuchte die:
Nach Urfahranermarkt und Oktoberfeststimmung wurde nach dem Dirndl und der Lederhose nun das „Kleine Schwarze“ ausgepackt, alle Freunde jenseits der eigenen Klassen und die angenehmsten oder unvermeidlichen Verwandten informiert, dass der tollste, ultimative Maturaball der heurigen Saison ins Haus steht. Und so war es auch ! Nachdem man sich Mitte der 80er entschlossen hatte das defizitäre Tanzfest des Fadinger Gyms mittels eines fixen Balldirektoriums aus der alljährlich wiederkehrenden Ahnungslosigkeit und den daraus resultierenden „Roten Zahlen“ zu holen, ging es steil bergauf: Befreit vom Fasching und der übermächtigen Konkurrenz der BORG- und HTL-Bälle konsolidierte sich die Geschichte nach nur zwei Jahren und war ab den 90ern ein Magnet unter den damals ganz frischen Herbstbällen – und nicht genug damit: Immer die „1.“ unter diesen Veranstaltungen, was den Vorteil hatte ein unübersehbarer Fixpunkt zu sein und administrativ konnte man den Ball im Schulgeschehen mit 1. November abhaken – die Sache war erledigt … Nachteil für die Macher: Man hatte wenig Zeit für Vorbereitung, Werbung und Proben, aber das konnte ja dem Schulbetrieb egal sein. Eine Woche davor war allerdings ALLES auf den Ball fokussiert: Hauptproben, kostümierte Werbeumzüge in der Stadt,Proben vor Ort mit aufwändigster Ausstattung unseres Bühnenmeisters & Lightdesigners Ingo, Frau OStR. „Eh“ organisierte, während die Cabaret/Filmcrew performte … Endergebnis: Bis zu 1600 Fans, die die edle Feststiege in kürzester Zeit in eine rutschige Bierschwemme verwandelten. Wegen des Massenandrangs drohte die Polizei regelmäßig den Eingang dicht zu machen bzw. mit „Ausweisungen“ zu beginnen. Unser Herbstball war zum MUSS geworden …
So auch 1993: Das Plakat und das Motto hatten Unmut bei traditionsbewussten Lehrpersonen erregt, was allerdings nichts daran änderte, dass nun allein im Großen Saal über 1000 Leute im Karree stehen, um ja nicht die berühmte 10 Uhr-Einlage der Fadis zu versäumen. Auch bei den dann folgenden Bällen sollte es nicht anders sein: Vorauseilende Empörung, Wagnis und Erfolg sind Geschwister – Beim Motto „Frucade oder Eierlikör“ war der „gefürchtete“ Hermes Phettberg als Ehrengast angekündigt – dem Elternverein platzte der Kragen und das Palais aus allen Nähten –dabei handelte es sich beim ach so schlimmen Hermes doch nur um den Star der eigenen Crew. Die PR hatte jedenfalls funktioniert & die Bude war übervoll …
Egal: 93 war der Rest des Veranstaltungshauses wie leergefegt und fast dunkel, als im großen Hauptsaal das Licht verlosch. Spitze Schreie zerrissen die Luft, als das 20 bis 30minütige Dauerfeuer der Show mit zischenden Nebelschwaden und dem Trauermarsch aus Clockwork Orange abhob …
Blitze durchzucken den Saal, mittig wird ein Sarg sichtbar. Ein kleines Mädel sucht den rettenden Ausgang während „Black Sabbath“ akustisch übernimmt und die Stimmung des Ungewissen anheizt: „What ist this that stands before me?“
Ein greller Blitz donnert durch den Saal – Der Deckel des Sargs springt aufund kracht auf den Tanzboden. Langsam erhebt sich ein skurril geschminkter Manfred R. aus dem Behältnis und Alex B. als Riff Raff (Stars der letzten Generation des Fadi-Cabarets) leitet über zum „Time warp“ aus der „Rocky Horror Show“ – neben „Cabaret“ die häufigst verwendete Musik bei den Produktionen des Hauses ( „Fadi Horror Show“, „Das Phantom mit dem Koffer“ … )
Plötzlich wurde es rundum still: Die Vögel hörten auf zu singen, mit schier rasender Geschwindigkeit verfinsterte sich der Himmel und es kam eine unwirkliche, unheimliche Stimmung auf, die von einem kühlenden, unerklärlich plötzlich auftretenden Wind begleitet war, der jede Menge Staub aufwirbelte, aber leider nicht die störenden Wolken vertrieb …
So erlebten wir am 11. August 1999 bei unserem Projekt „Sonnenspuren“ die LinzerSOFI(Sonnenfinsternis) am Mediendeck des Offenen Kulturhauses (OK). Zehn Jahre später vermeldeten wir dort Drehschluss für unser„Alice-Videoprojekt“– hier, wo auch diePremierenabendefür die Filmcrews unserer meisten Musikvisualisierungen über die Bühne gingen, hier hatten wir die Wohnung unserer Alice eingerichtet, hier hat sie ihren Laptop aufgeklappt um so durch dieses virtuelle Kaninchenloch in die digitale „Wunderwelt“ zu gelangen bzw. von dieser auf Gedeih und Verderben verschluckt zu werden …
ALICE WOHNTE SCHON WÄHREND LINZ09 IM OK-MEDIENDECK
Eine junge Frau spielt in einer modernen Dachwohnung am Laptop erfolgreich und begeistert das PC- Game ALICE. Die Handlung des Spiels ist eine Fortsetzung vonLewis CarrollsAlice im WunderlandundAlice hinter den Spiegeln: Alice hat bei einem Brand des Elternhauses beide Elternteile verloren. Weil sie sich die Schuld am Tod der Eltern gibt, zieht sie sich vollkommen in sich selbst zurück und lebt nun in einer Irrenanstalt. Dort ereilt sie der Hilferuf aus dem Wunderland. Bedingt durch ihren geistigen Zustand ist das Wunderland, welches im Prinzip nur in Alice‘ Fantasie existiert, zu einem bedrohlichen und dunklen Ort geworden, in dem die Herzkönigin ein grausames Terrorregime errichtet hat. Um sich selbst und das Wunderland zu retten, muss Alice zu Waffen greifen und die Herzkönigin besiegen. Ein verlustreicher Kampf gegen das eigene Ich, wie sich herausstellt …
Diesen Kampf gegen das eigene Ich durchlebt auch unsere junge Studentin, die das Spiel vor allem aus zwei Gründen liebt: Erstens, weil ihr eigener Name ALICE lautet und zweitens, weil sie seit Kindestagen mit der Geschichte vom Wunderland und alle Bewohnern vertraut ist. Während es ihr auch diesmal anfänglich mit Hilfe der Grinsekatze gelingt die Herzkönigin zu überlisten und damit den nächst höheren Level zu erreichen, kann ihr nach der Verwirrung im Spiegelland auch der weiße Hase nicht mehr helfen und so ist sie der Teegesellschaft, Mad Hatters Tücke und dem Blutdurst der Herzkönigin bis zum letzten entscheidenden Schachzug hilflos ausgeliefert. Unmerklich wird sie als Person immer mehr eins mit der Computerwelt bis sie zur Gefangenen und schließlich Opfer des eigenen Spiels wird.
In Rahmen der Sendung EinBlick (315) derMedienwerkstatt Linzist unsere Alice zum Auftakt der OK-Ausstellung„Sinnesrausch“ imTV und jederzeit im Internet zu sehen:
Bereits im Entstehungsjahr 09 durften wir uns überErfolgeder Visualisierung ALICE bei Wettbewerben im In- und Ausland freuen.
Unseres Hauskomponist Prof. Dr. Helmut Rogl (Fadinger Absolvent) und Wim van Zutphen (mit dem wir schon das John Cage-Projekt gemacht hatten) steuerten die Musik bei und in Wechselwirkung entstand eine Bilderwelt, die nicht nur jede Menge Preise einbrachte, sondern auch der „Aufhänger“ unserer Videoinstallation im Rahmen der Ausstellung„Augenmusik“während des Linz09-Brucknerfests war und im Foyer während der Pausen in der Konzerthalle an der Donau jede Menge Publikum hatte (wie schon 6 Jahre davor bei unserem Phil Glass-Video „ Die 5. Dimension“) …
Ein großer schwarzer Hund streicht ums Auto. Zur Sicherheit ruf ich Mag. G. Kügler an, ob es sich um sein friedfertiges Monster handelt und dieses heute bereits ausführlich und gut gefrühstückt hat. Telefonisch beruhigt verließ ich daraufhin vorsichtig meine schwarz/gelbe Cinquecento-Hummel und wurde alsdann lautstark vom Auto bis ins Innere des Hauses verbellt. Erst als sich „Axels“ Gebieter – eine stadtbekannte Stummfilmfigur * im Türrahmen zeigte und er „His Masters Voice“ vernahm, beruhigte sich das gewaltige Schoßhündchen des Linzer Nostalgiekinos – einer Enklave der Ruhe, Beschaulichkeit, einer versunken geglaubten cineastischen Kultur am Donauufer neben dem „Römerbergtunnel“ (Elmira-Stollen) -eingebettet zwischen zwei Laufhäusern …
Im Cafe des„Cinematographen“, wo ich dereinst meinen„40er“ mit Kulinarik, Kino und Kabarettstandesgemäß feierte, holte ich nun den physiognomisch in der direkten Verwandtschaft Charly Chaplins angesiedelten Cinemato-Grafen * vors Radio-Mikro.
Dabei war nicht nur die legendäre Vorführgerätschaft des Hauses ein Thema, sondern auch die Besonderheit der Filmbeschaffung des Repertoires von 1895 bis in die 1960er in filmmusealen Einrichtungen, sowie der aktuelle Eröffnungsfilm„Traumstadt“ von Johannes Schaaf in der ersten Novemberhälfte 017 (- von mir schon angeregt im Frühjahr anlässlich desKubin-Schwerpunktder Landeskultur /Oper, Ausstellung …) Und es schloss mit einem Exkurs in die Linzer Filmgeschichte, den wir demnächst im Radio FRO-Studio in voller Breite fortsetzen wollen. Dabei werden wir uns über die Anfänge der Wanderkinos, das zuständige „Vagabunden-Gesetz“, die „Anstandslampe“ und den späteren Einfluss von TV, Internet und des Digitalen auf die Kinolandschaft unterhalten. Auch die lokale Historie soll dabei eine Rolle spielen: Ausgehend von Doku- und Schulfilmen (Urania) imFestsaal der Fadingerschule, derals Kino, ja sogar als Kirchenraum und Ort für Konzerte Verwendung fand, machen wir uns dann auf die Suche nach edlen Kinopalästen, die Logentheatern ähneln, werden dabei allerdings in OÖ. nur imWelser Stadttheater Greif(Österreichische Filmtage) fündig, wo man im benachbartenMedienkulturhaus(MKH) auf das „Kaiserpanorama“ stößt – eine Frühform des späteren Kinos.
Die Geschichte von Kino und Film beginnt in Linz schon am 1. September 1896, als im Rahmen eines Programms in „Roithner’s Varieté“ erstmals in Oberösterreich ein Filmprogramm gezeigt wurde. Bis zur nächsten Vorführung eines Films verging ein halbes Jahr, als im „Hotel zum Goldenen Schiff“ an der Hauptgeschäftsstraße, der Landstraße, für einige Tage das Wanderkino von Johann Bläser gastierte. Zur Eröffnung des ersten ortsfesten Kinos mit regelmäßigem Programm kam es jedoch erst Ende des Jahres 1908. Damals eröffnete Karl Lifka sein „Lifka’s Grand Théâtre électrique“ in jenem Gebäude, in dem bereits die erste Filmvorführung der Stadt stattgefunden hatte, in „Roithner’s Varieté“. Als der Wanderkinobesitzer Johann Bläser in Linz sesshaft wurde, kaufte er das Hotel Schiff, in dem er bereits in den Jahren zuvor hin und wieder Vorführungen gab, und richtete darin ein weiteres festes Kino ein – das „Bio-Kinematograph“, später: „Bläsers Zentral-Kinematograph“.
Das dritte, ortsfeste Kino der Stadt wurde um 1910 vom Varietébetreiber Karl Roithner als „Kino Kolosseum“ gegründet. Erster Standort war die ehemalige Volksfesthalle am Hessenplatz. Nur vier Jahre später musste das Kino jedoch wieder schließen, da das Militär das Gebäude zur Kaserne umfunktionierte. Nach Kriegsende, 1919, erhielt Roithner das Gebäude wieder zurück und richtete wieder sein Kino darin ein. 1928 folgte der erste Umzug. Das „Kolosseum Kino“ zog in die Mozartstraße. 1936 folgte der nächste Umzug an seinen endgültigen Standort am Schillerplatz. Dort wurde das Kino mit vier Sälen bis zur Jahrtausendwende weiterbetrieben. Das „Lifka“, schloss bereits in den 1980er-Jahren. Das zweitälteste Kino, „Bläsers Zentral-Kinematograph“, konnte hingegen sogar die 96 Jahre des Kolosseums noch überbieten. Als „Central Kino“ wurde dieses letzte Kommerzkino unter den drei verbliebenen Innenstadtspielsätten bis zum 28. November 2006, als die finale Vorstellung stattfand, weiterbetrieben. Das Kino schloss nach 97 Jahren fast durchgehenden Betriebes, nur drei Jahre vor seinem hundertjährigen Jubiläum, aufgrund zu geringer Auslastung, bedingt durch die Blogbuster- und Entertainmentcenter Cineplexx undMegaplexam Stadtrand. (Wiki-Kurztext)
Zu den besten Kinozeiten in den 50er Jahren gab es in Linz bis zu 14 Lichtspielstätten: Allein in Urfahr konnte man nach dem „Kirchgang“ in der Friedenskirche einen Märchenfilm oder älteren Streifen imAustria Kino(früher „Raimund“) oder Aktuelles im Klangfilm-Theater Rudolfstraße ansehen. In den Außenbezirken gabs das Johann-Strauß-Kino am Bindermichl, das Universum-Kino in Linz-Untergaumberg, die Lichtspiele Neue Heimat und das Froschberg-Kino. In der Innenstadt ging man ins Zentral, ins Kolosseum am Schillerplatz, das Exzelsior- und Kolping-Kino in der Langgasse, ins Lifka-Lichtspiel-Theater – Steingasse 10, in die Phoenix Lichtspiele draußen in der Wiener Straße (heute Theater), ins Apollo (jetzt Maestro), ins Eisenhand (seit Jahren wechselnder Theaterstandort) in dem sich erst Dick und Doof trafen, die später dort von Erotikstreifen verdrängt wurden, oder schnell mal zwischendurch auf einen Mokka und eine Brise News verpackt in der „Austria Wochenschau“ zwischen zwei Kurzfilmen auf einem alten Holzklappsessel im „Ohne Pause“ in der Mozartstraße oder an der Landstraße (heute Mc Donald) – hier durfte man später kurz vorm Zusperren auch die ersten Artfilme genießen: Mahlers „Kindertotenlieder“ von Titus Leber oder „Lisztomania“ vonKen Russell. Aus letzterem erwuchs „Das andere Kino“ im Generali-Gebäude in dem ich „Anima“ (nominiert für die Goldene Palme) von Titus Leber und ihn selbst erleben durfte. Wenig später (1990) folgte das Programmkino„Moviemento“, das seither gemeinsam mit dem „City“ am Graben das verbliebene cineastische Bollwerk im Stadtkern darstellt. Aus ihm schält sich einmal im Jahr (April) das Festival„Crossing Europe“– doch dem Imperium von Mag. Wolfgang Steininger inkl. Freistadt (Kabarett/Heimatfilmfestival) möchte ich mich andernorts ausführlich widmen …
Abschließend erneuere ich meine Forderung, die ich schon vor einigen Jahren imLandeskulturbeirat OÖstellte:
Das Kinosterben hat in der Kulturhauptstadt mit dem Exodus des „Zentral“ den Zenit erreicht. Von der derzeitige Kinosituation in Linz besonders betroffen: Die speziell immer wieder benachteiligte Gruppe der Kinder/Jugendlichen zwischen 10 und 14, die Cine- & Megaplexe alleine noch nicht in Anspruch nehmen kann oder darf … Die noch nicht mobilen Kinder, „NMS-„- und UnterstufenschülerInnen finden in der Linzer Innenstadt derzeit zwar anspruchsvolles Programm -, nicht aber ein sogenanntes Mainstreamkino vor, das diesbezüglichen Bedürfnissen dieser Altersgruppe gerecht wird.