Dieser BLOG–Beitrag hätte sich Lektüre & Betrachtung auf einem großen Screen verdient
Ein junges Mädchen ist aus dem Fenster gesprungen. Nicht wie bei Wagner von hoher Klippe ins tosende Meer um den Holländer zu erlösen sondern wie in Harry Kupfers Bayreuth Regie. Das mit roten Tüchern drapierte Fenster befindet sich jedoch auf keiner Bühne, sondern im 1. Stock des Fadinger Festsaals und es liegt auch kein entseelter Körper auf dem grauen Schulhofasphalt. Ist Senta einem geheimnisvollen Fremden in dessen bessere, nun wohl gemeinsame Welt gefolgt? – Ein offenes Fenster und viele ebensolche Fragen …
Die Stoffbahnen hängen am leeren Fensterrahmen im leichten Wind, ein immer lauteres Rauschen des Meers löst die verklingende Klaviermusik ab und schlussendlich drängen sich Bilder blauer Wellenberge in den Vordergrund um zu erstarren als der Abspann der Visualisierung der paraphrasierten, stark verkürzten Musik des „Fliegenden Holländers“ auf der großen Leinwand des Kulturzentrums in der Oslip-Mühle verglüht. Direkt nach dem Applaus darf der Autor für sein junges Team (BSG des BRG Linz, Fadingerstr. 4) Gold und einen Sonderpreis in Empfang nehmen …
HOLLÄNDER – von den Memoiren des Herren von Schnabelewopski bis H E U T E …
SENTA D.aland – die Tochter des gleichnamigen Kapitäns durchwühlt dessen alte Truhe und findet darin nebst Bahnen von rotem Segelstoff ein Mythenbuch in dem jener Fremde abgebildet ist, den sie kurz zuvor auf der Straße beim Museumspark gesehen hatte …
Senta D & ihre Amme
Der Schmuck des Holländers war die HBLA-Abschlussarbeit von Ex-Fadi Claudia Langer – eine Art „Takelage“ die dieser über der Schulter trug aus der kleine Masten wie Stacheln heraus ragten. – Mehrere junge Frauen versuchten im Video vergeblich ihn davon zu erlösen. Die Tanzszene wurde durch Claudia Kreiner choreographiert – die damals erst 16jährige Hauptdarstellerin . Den dabei in einer 2. Bildebene darüber gelegten Drehnebel steuerte ohne großen technischen Aufwand Ingo Kelp bei: Ein konzentrisch durchlässiger Kreis auf einem sonst schwarzen Dia und eine kleine Nebelmaschine machten es möglich …
Video „Senta D.“ (- inkl. ORF-Beitrag dazu)
O P E N E R ins Videozeitalter am Linzer Fadinger BRG
Lukas, Astrid, Claudia, Yen Sheng
Bis in die 80er hatte man ausschließlich auf Super-8 gedreht & anschließend auf VHS überspielt – ein teures (3 Min: Ganze 7.- Euro) und in der Montage umständliches Unterfangen. 1993 entstand das Musikvideo „Senta D.“ zur „ Holländer“ – Paraphrase des in Südafrika lebenden und lehrenden Komponisten Norbert Nowotny. Die perfekte CD-Einspielung dafür kam von Pianistin Margit Haider. Endergebnis: Hervorragende Feedbacks durch den Komponisten, den Richard Wagner Verband International und durch die UNI Leipzig, die seit damals Musikvideos der BSG bei Lehrveranstaltungen ( Prof. Köhler / Musikpädagogisches Institut ) verwendete. – ebenso die UNI in Kapstadt. Darüber hinaus gabs für „Senta D.“ jede Menge Menge Preise: Titel & Gold Landesmeisterschaft, ebenso Gold bei der Staatsmeisterschaft, Ebenseer – Bär, Experimentalfilmpreis, Danubiale-Medaille, Innovationspreis des Unterrichtsministeriums ( Krems ), Nominierung für die Video-WM in Argentinien … („Senta“ war da ein wichtiger Meilenstein – Die UNICA Medaille gabs erst etwas 2000) Präsentation des Videos in der Bayreuther „Schallplatte“ und beim Richard Wagner Kongress in Bregenz, wo kurz davor der „Holländer“ auf der Seebühne flog.
In der Bregenzer Inszenierung 1989/90 sprang Senta von ihrem „Erlösungsturm“, der später als „Aufmacher“ vorm Technischen Museum geparkt wurde, in den „Bodensee-Ozean“. Eine Stunt-Szene (32 m), die beim derzeitigen Aufstellungsort Donauinsel Wien nicht anzuraten ist. Mindestens so spektakulär wenngleich ohne „Opern-Bezug“ präsentiert sich das fliegende Schiff beim diesjährigen Dachevent des Linzer OKs – Beim Höhenrausch 2018 müsste Senta einen Sprung nach oben in die Wolkenfluten rund um das tonnenschwere „Luftschiff“ wagen um, wen auch immer zu erlösen …
„Auf hohem Bord der bleiche Mann, des Schiffes Herr, wacht ohne Rast“
Regisseur Harry Kupfer (links), Dirigent Dennis Russel Davies (Mitte) und Simon Estes (rechts), der die Titelrolle der Oper „Der fliegende Holländer“ sang, während einer Probe für die Bayreuther Festspiele 1978 – Simon Estes war dabei ein sensationeller Holländer, aber sicher kein „bleicher“ Mann …
Der „Migrant“ Wagner – ein „Ahasver“ wie seine Holländer-Figur
Richard Wagners Zeit in der Hansestadt Riga endete ähnlich unerfreulich wie seine vorigen Engagements in Magdeburg und Königsberg. Bereits vor dem letzten seiner Konzerte am 7. Mai 1839 war die Stelle des Musikdirektors hinter seinem Rücken anderweitig vergeben worden. Wagner beschloss daraufhin, zum großen Sprung anzusetzen. Das Ziel hieß Paris. Wagner nahm vier Wochen lang Französisch-Unterricht. Der gewaltigen Schuldenberg und das Heer der Eintreiber bewogen ihn schließlich zur raschen Flucht. Am 9. Juli begann von Bad Mitau aus, wo die Rigaer Theatertruppe gastierte, eine mehr als dreiwöchige abenteuerliche Reise, die ihm und seiner Frau beinahe das Leben kostete. Der Aufbruch musste heimlich erfolgen, ohne Papiere, damit die Gläubiger in Deutschland nicht durch Passgesuche aufmerksam wurden, und bei Nacht und Nebel, wegen der Patrouillen an der ostpreußisch-russischen Grenze. So gingen Wagner und seine Frau wenig später, beladen mit etlichen Koffern und begleitet von ihrem kurz vor der Abreise zugelaufenen Neufundländer „Robber“, in Pillau an Bord eines winzigen Seglers namens „Thetis“ und stachen in See Richtung Kopenhagen. Zehn Tage später gerieten sie im Skagerrak in einen verheerenden Sturm, der den Kapitän zwang, die Insel Boröya an der Südküste Norwegens anzulaufen. „Sandwike ist’s! Genau kenn ich die Bucht“, heißt es später im „Fliegenden Holländer“. Auch das Toben des Sturmes und die Arbeitsrufe der Matrosen hatten sich unvergesslich eingeprägt als er festgezurrt am Mast um nicht von Bord gespült zu werden dies alles erleben durfte. Ob ihm dabei auch ein Schiff mit roten Segeln erschienen ist? Man weiß es nicht, aber kann es erahnen, wenn die Ouvertüre mit voller Wucht Wogen und Wind ertönen lässt, später auch unterstützt vom „Geisterchor“ und echt klingenden Windmaschinen im Orchestergraben …
Ein „Freischütz des Ozeans“
Als Kind war der kleine Richard in Dresden am Weg ins Theater oft beim Haus von Carl Maria Weber vorbeigekommen. Dabei konnte er Eindrücke von dessen genialer „Gespensteroper“ „Freischütz“ erhaschen. Jahre später kommt es hier zur ersten Aufführung des Holländers – einem Werk des gleichen Genres, das mit vielen Parallelen aufwarten kann: Schon bei der Ouvertüre geht es in beiden Fällen motivisch mit der „Verortung“ los – Ist es im einen Fall eine riesige schwarze Fläche, die immer näher kommt bis man auf einer Lichtung in jenem Wald Jagdhütten, ja ein Dorf erkennen kann, so ist es bei Wagner das Grau des Sturms und wildes Meer. Es folgen musikalisch die Personenmotive der Agathe bzw. der Senta, sowie des Max und des Holländers, bevor eine „Durchführung“ in beiden Opern zum Schluss mit Motiven von Agathe und Senta überleitet … Nach Ensemble-Szenen da wie dort werden die Männer-Rollen vorstellig, erst im 2. Teil folgen die Frauen-Szenen und was des einen „Wolfsschlucht“ ist, ist dem anderen der „Geisterchor“ …
>>> E R I K <<<
Als sich dein Arm um meinen Nacken schlang,
gestandest du mir Liebe nicht aufs Neu‘?
Was bei der Hände Druck mich hehr durchdrang,
sag‘, war’s nicht die Versich’rung deiner Treu‘?
Den Jäger Erik hat es (bei Wagner) an die Meeresküste verschlagen. Der Arme lebt verloren unter Matrosen. Erik der brave Realo der nichts außer seine kleine, nun auch nicht mehr heile Welt gegen den übermächtigen Zauber des Ideal-Bilds des Fremden in die Waagschale werfen kann und im Kampf um Senta verzweifeln muss – ohne jede Chance gegen dieses „Wahnbild“… Im Video der Fadinger steht er zuletzt mit offenen Armen in der Trostlosigkeit des Linzer Ölhafens und wartet dort weiterhin vergebens auf „seine“ Senta …
Manfred Pilsz
Carpenters Nebel des Grauens & viele andere Werke sind im Dunstkreis des „Fliegenden Holländers“ angesiedelt …
>>> Radio-Beitrag zu Senta D (<<< hier anklicken)