„tat twam asi“ … G R A L … „das sagt sich nicht“
„Ich schreite kaum, doch wähn ich mich schon weit“ – so die Worte Parsifals, wenn Gurnemanz ihn in die Gralswelt geleitet und ihm mit auf den „Weg“ gibt: „Du siehst, mein Sohn, zum Raum wird hier die Zeit“ … Wer das Areal des Klosters Montserrat bei Barcelona betritt und schon einmal Lohengrins Gralserzählung gehört hat, der wird auch das oben beschriebene Parsifal-Erlebnis erfahren mit und ohne Musik …
In fernem Land, unnahbar euren Schritten,
liegt eine Burg, die Monsalvat genannt
Eigentlich hatte Salvador Dali österlich nach Figueres und Cadaqués zu einem Besuch an dessen berühmten Strand von Portlligat nach Katalonien gelockt – spätestens aber im Garten von Schloss Púbol ist Wagner wieder mit dabei – diesmal mit seinem Tristan – Dalis Lieblingsmusik …
Dies mutet vielleicht so surreal an wie frischer Pyrenäen-Schnee inmitten intakter Schlepplifte in der „Semana Santa“ oder eine dieser bizarren Osterprozessionen im benachbarten Girona – ein mittelalterlich düster christliches Fest bei dem im Kopf Bilder der Inquisition hoch kochen könnten, garniert mit Heidnische Bräuchen zur Feier der Einkehr des Frühlings. Beim Heimflug vermischten sich letztere Gedanken mit verwandten „Carmina Burana“-Szenarien zu einem österlichen „Klangbild“ bis zu Hause im Radio die Gesänge der Mutter aus Goreckis III. Symphonie Erinnerungen an ein Ostern in Krakau wach werden ließen: Am Vortag hatten wir dort damals noch diese wunderbaren jiddischen Lokale im Stadtteil Kazimierz besucht mit ihrer Brotsuppe und der herrlichen Klezmer-Musik. Am nächsten Tag wurden die sehr an Gustav Mahler erinnernden Holzbläserklänge frühmorgens vom schrillen Pfeifen einer alte Dampflok abgelöst, als wir in Auschwitz bleich aus den alten Waggons der Regionalbahn stiegen … Umgeben von Stille und nicht an der berüchtigten Rampe im benachbarten Birkenau, wo nach „Selektionen“ tausende Menschen gleich nach der Ankunft in den Tod gingen, sondern nur einige hundert Meter entfernt von dem berühmten Tor mit dem sarkastischen Text „Arbeit macht frei“ …
Die im Morgennebel drohenden Schornsteine der ehemaligen Lagerbaracken von Birkenau, oder die verlogene „Idylle“ des „Altersghettos“ Terezin – für jemanden, der seit Jahren auf halber Strecke zwischen Hartheim und Mauthausen lebt ist „Golgotha“ immer gegenwärtig und bleibt gleichermaßen schrecklich. Nicht lange will man hier verweilen – auch Theresienstadt verließ der Besucher in der Karwoche möglichst schnell nach Leipzig, um bei Bach Zuflucht mit der Matthäus-Passion in St. Thomas zu suchen. Oder man nimmt Wagners Spuren, die in dessen Geburtsstadt verblasst sind österlich in Dresden in der Frauenkirche mit dem „Liebesmahl der Apostel“ auf, oder versenkt sich gar wie schon eingangs in die Welt der Gralsglocken des „Parsifal“… Alljährlich lädt die Wiener Staatsoper am Gründonnerstag zum Wagnerschen Bühnenweihefestspiel, das seinen Höhepunkt mit dem „Karfreitagszauber“ im 3. Akt des Werks erlebt …
Anton Bruckner beim letzten Abendmahl (im Bild ganz außen links)
> ZUM RAUM WIRD HIER DIE ZEIT <
Auch die Salzburger Osterfestspiele waren speziell zu Karajans Zeiten dem „Meister aller Meister“ gewidmet – hier wird einem bei Wagners letztem Musikdrama am deutlichsten die Nähe zu Mozarts Zauberflöte bewusst (- schon Ingmar Bergmann hat sie in seiner filmischen Umsetzung in der Pausenszene zart angedeutet) Auch ein Aufführung im Passionsspielhaus des tirolerischen Erl, wo die Fadinger einen Sommer lang bei Gustav Kuhn Festspielradio machen durften, kann verzaubern – hier erlebt man die Besonderheit des Ausnahmewerks das nach Wagners Tod 30 Jahre lang für alle Theater gesperrt war nicht erhaben, authentisch und einmalig wie in Bayreuth. Hier existiert kein Applausverbot nach der „Messe“ des 1. Akts, aber die direkte Verbindung zur umgebenden Natur wie in der „Karfreitagsszene“ dieses Werks:
Wie dünkt mich doch die Aue heut so schön!
Wohl traf ich Wunderblumen an,
die bis zum Haupte süchtig mich umrankten;
doch sah ich nie so mild und zart
die Halme, Blüten und Blumen,
noch duftet‘ all‘ so kindisch hold
und sprach so lieblich traut zu mir.
GURNEMANZ
Das ist Karfreitags-Zauber, Herr!
Hier lassen auch der Dom von Siena und Klingsors Zaubergarten in Ravello bei Neapel grüßen – die Blumenmädchen huschen singend durchs Bild. Wie oft waren alle diese hehren Parsifal-Momente musikalisch gezielt so programmiert am Nachmittag des Karfreitags auf Ö1 knapp vor 15 Uhr zu hören – beendet durch eine ca. 30 Sekunden andauernde Schweigeminute eingeleitet durch die Worte: ‚Karfreitag, 15:00 Uhr – im Gedenken an die Todesstunde Christi folgen jetzt einige Augenblicke Funkstille‘. – Danach setzten die Nachrichten das Programm kommentarlos fort.
Für Kinder gabs früher strenge Empfehlungen durch Beichtväter und Katecheten eine Kreuzweg-Andacht zu besuchen in der Friedenskirche oder den Pöstlingberg hinauf. Wesentlich ruhiger und somit wesentlich näher am Ostergedanken ist der kurze, beschauliche Kreuzweg beim Ausgang des Zaubertals in St. Margarethen mit seiner imposanten Kreuzigungsgruppe. Einen noch intensiveren, nachhaltigen Eindruck hinterließ diesbezüglich bisher nur der Berg der Kreuze in Litauen …
Im benachbarten Russland blieben die einzigartig bemalten Holz- oder Fabergé-Eier in bester Erinnerung – nicht nur in Petersburg wurden man mit einschlägigen Osterläden konfrontiert und fühlte sich so wieder mit der eigenen Kindheit konfrontiert: Jenseits der bunten Eier gabs da im österlichen Nest ein einziges Mal ein “ Elektrokontaktspiel“ – ansonsten höchstes noch Hasen und Lämmer aus Schokolade. Man bastelte so wie schon zu Weihnachten mit Ausschneide-Vorlagen nun eben nicht an einem Kripperl, sondern an einer Hasenwerkstatt die man zusammenklebte, glaubte an den Hasen, freute sich auf die frischen, innen noch feuchten Pinzen mit Rosinen und aufs „Nestlsuchen“ an üblichen Orten – ja und manchmal schneite es dabei kurz …
Manfred Pilsz
(U-Hof-Konzert-Aufnahme mit dem Autor)