Ein kurz eingeblendeter Vorworttext und schon bricht die Ouvertüre los – „Kein stiller Herd in Winterszeit“, sondern ein hektisches Treiben im Hause Wahnfried, wo Wagner höchst darselbst, wie einst in seiner echten Biographie (auch auf Reisen) mit Familie und Entourage eigene Werke im häuslichen Salon zur Aufführung brachte. Cosima, diesmal auch Schwiegerpapa Liszt, Hermann Levi und Co. werden dabei ins bunte, vorerst noch nonverbale Treiben von Wagner in „Eigen-Regie“ integriert. Gemeinsam mit Liszt zaubert er vierhändig Klone seiner selbst aus dem Flügel, die in der Folge als Stolzing, David usw. reüssieren. Weiters übernimmt er die Rolle von Meister Sachs und Cosima die Eva – Kosenamen, die sich die beiden auch im echten Leben wechselseitig gaben. Liszt (ein Sonderlob für die Visagisten) wird dabei natürlich die Vaterrolle des Veit Pogner zugedacht. Dies alles klingt nach Parodie, oder kommt einem schrägen Filmsujet von Ken Russell nahe, doch weit gefehlt: Es handelt sich um die Premierenvorstellung der diesjährigen Festspiele, genial aufgelöst und im 1. Aufzug durchaus schlüssig und passend komödiantisch, wie intelligent umgesetzt von Barrie Kosky, dem u. a. von seinen Arbeiten an der Komischen Oper Berlin bestens bekannten Regisseur. Köstlich wie er beispielsweise Wagner Levi nötigen lässt nach dem „gemeinsamen“ Gebet im Spiel die Rolle von Beckmesser zu übernehmen. Das Konzept von Kosky wird hier noch getoppt von der alles in den Schatten stellenden Personenregie, die für die dichtest mögliche Bühnenpräsenz speziell bei „Freiung, Zunftberatung und Probesingen“ sorgt:
Die Mao-Bibel-ähnliche Tabulatur wird von „Headbangenden“ Meistern abgenickt, Stolzing erklimmt den Singhochstuhl am Deckel des Klaviers und wir erleben den glücklichsten Richard/Sachs, wenn Klon Stolzing die Meistersippe aufmischt, während er selbst Levi/Beckmesser in dieses laufen lässt und die Leviten liest, bis sich der 1. Akt im wahrsten Sinne des Wortes nach hinten verrollt und Wagner/Sachs sich plötzlich nur kurz angedeutet bei „Versungen und vertan“ im späteren Bühnenbild des 3. Akts wiederfindet. Mit dem berechtigten frenetischen Applaus des Premierenpublikums geht’s in die Pause.
Bewahrt euch vor Gespenstern und Spuk,
daß kein böser Geist eur‘ Seel‘ beruck‘!
An den preiswürdigen 1. Teil schließt ein „Johannisnächtlicher Summernightdream“ an. Eine „Nachtwächter-Vollmonduhr“ mahnt die Zeit ein, die auch ganz bewusst gegen Ende rückwärts laufen kann …
Wahnfried wird zur nächtlichen Festwiese in Form einer Reduktion auf ein schlichtes Naturbild, statt der beschaulichen Gassen von Alt-Nürnberg. Die Lehrbuben springen herum als Abbilder ihrer alten Meister wie Kobolde und Geister. Der Rest ist ein Kammerspiel auf der Flieder-„Wiesn“, das wahrlich böse endet, wenn Sachs/Richard den Stadtschreiber einer wilden, nächtlichen Horde in Tollerei und Gewalt überlässt und ein stigmatisierter Beckmesser als Judenkarikatur im „Nazi-Stil“ aufgeblasen in voller Bühnengröße zurückbleibt, die schließlich in sich zusammensinkt, bis nur noch der Davidstern auf dessen Kippa, vom Dunkel beim Schlusston des Orchesters verschluckt wird. Sachs/Richard drückt sich dabei erschrocken ins Eck, als er erkennt, was hier scheint’s ausgelöst wurde.
Höchst merkwürd’ger Fall!
Ausgehend vom Sachs-Zitat:
Ist jemand hier, der Recht mir weiß, der tret‘ als Zeug‘ in diesen Kreis!
– entspinnt sich das Bühnenbild des 3. Aufzugs, der im Verhandlungssaal des Nürnberger Prozesses spielt und in dem Schusterstube, sowie schlussendlich auch die „Festwiese“ angesiedelt sind. Wie beim Wahnfried des 1. Akts ist auch hier der Saal so exakt nachgebaut, dass man spätestens, wenn sich der Raum mit Menschen füllt, die Frage stellen muss, ob es von Bedeutung ist, dass die Regie den einfachen „Bürger Normalverbraucher“ auf der Anklagebank unterbringt, denn die Meisterjury nimmt ja wahrscheinlich auch nicht von ungefähr auf den mittigen Richterstühlen Platz. Wahn! Wahn! Überall Wahn! (Sachs) – Hier werden Weisen geboren, getauft, unfertig weiter gegeben, fremd verwendet, umgetextet, ver- und gesungen – Hier werden auch Anklagebänke zu Festtribünen, es geht drunter und drüber …
Und nachdem Beckmesser und dann Eva mit ihrem „Meister-Verweigerer“ („Will ohne Meister selig sein !“) Walther die Bühne verlassen hat, gehen auch alle anderen „Mitspieler“ ab, als Wagner/Sachs nun selbst im Zeugenstand die „Achtung vor den Meistern“ einmahnt, bevor er das Dirigat des „Bühnenchororchesters“ übernimmt. Ab hier gilt´s wahrlich einzig und allein der Kunst, die sich so dem Auditorium vermittelt. Der Vorhang geht zu und viele Fragen bleiben offen … speziell bezogen auf den Schlussteil. Eine Deutung, die zum Diskurs einlädt.
Die musikalische Seite blieb nichts schuldig – niemand hat „Versungen und vertan“:
Untadelig Dirigent Philippe Jordan, der wunderbar abgestimmt auf Sänger und Regie mit feiner Klinge meisterlich zu Werke ging. Selbst David – optimal Daniel Behle – hätte hier alle Regeln der Kunst erfüllt gesehen. Auch mit seiner Lene Wiebke Lehmkuhl konnte er vollends zufrieden sein – ebenso mit Chor und Orchester. Verlässlich, ja „Morgendlich leuchtend“ und zur Stimme passend (Vergl. Tannhäuser München) Klaus Florian Vogts Walther. Die Eva von Anne Schwanewilms schien manchmal etwas zu grell und zuviel Cosima. Absolute „Hügelklasse“ stimmlich wie schauspielerisch: Der Beckmesser von Johannes Martin Kränzle und Michael Volles Hans Sachs.
Manfred Pilsz aus Bayreuth
Anmerkung zur Untertitelung (leicht zeitversetzte Kinoübertragung): Die Sänger waren vergleichsweise wesentlich > textsicherer <!
Dieser BLOG–Beitrag hätte sich Lektüre & Betrachtung auf einem großenScreen verdient
Die umfassende Digitalisierung wird heute primär von wirtschaftlichen Interessen forciert. Es handelt sich dabei um eine globale Entwicklung. Und da kann man sich nicht abschotten, auch und schon gar nicht mit Mauern, also mit sogenannter Trump’scher Politik …
Der deutsche Philosoph Richard David Precht geht davon aus dass wahrscheinlich die Hälfte der Bevölkerung in nächster Zeit nicht mehr arbeiten, oder mit seinen eigenen Worten formuliert, keiner geregelten Lohnarbeit von Nine to Five nachgehen wird. Es wird im Zuge der Digitalisierung allerdings nicht flächendeckend roboterisiert werden: Jobs, wo Menschen lieber mit Menschen zu tun haben als mit Maschinen, wie zum Beispiel Kindergärtner und Lehrer wird es auch weiterhin geben. Schulen werden sich massiv und stark verändern, aber es wird nicht dazu führen, dass man von Robotern unterrichtet wird. Warum aber verdienen die, die sich um unsere Kinder (bis 10 Jahren) kümmern, weniger als Lehrer an den Unis? Gerade in solchen sogenannten „Niedriglohnsektoren“ wird es noch viele Jobs geben. So wird man auch im exponentiell wachsenden und daher immer wichtigeren Pflegebereich in Zeiten von 4.0 die Patienten nicht ausschließlich Maschinen überantworten, handelt es sich doch um Menschen, also das analoge Modell 1.0 – und das kann nicht digitalisiert werden. Auf diesem Sektor bringt die Umstellung sicher Vorteile, da aus „Ersparnisgründen“ derzeit meist unqualifiziertes, „billiges Ost-Personal“ zum Einsatz kommt. Eine Aufwertung der Sozialberufe & ein entsprechender Entgelt für Jobs im derzeitige „Freiwilligen Bereich“ sind dringend anzudenken und in den notwendigen Umbau der Gesellschaft fix einzuplanen.
Arbeiten werden die Menschen auch in Zukunft, aber sie werden es vielleicht nicht mehr für Geld tun, und sie werden es auch vielleicht nicht mehr für eine Firma tun und sie werden es nicht in Angestelltenverhältnissen tun. Ich erlebe, dass viele junge Leute ihre Eltern nicht verstehen – also Mittelschichts-Eltern, die wahnsinnig viel arbeiten und viel zu wenig Zeit für sie hatten, und sie selber wollen das anders machen, sie wollen mehr Zeit für ihre Kinder haben. Precht schildert hier seine Beobachtungen im Umfeld der nach 1980 geborenen Anhängern der „Work-Life-Balance“, also Menschen in großen Städten so leben, wie viele junge Leute es gerne täten, obwohl es in der Realität kaum so passiert (- die Hipster-Bewegung als Vorhut dieser Entwicklung) … Man sitzt mit seinem Smartphone aufgeklappt in einem Café, einen Cappuccino und seine Frau neben sich, die Kinder wuseln da rum auf einem Kinderspielplatz …
Wer wird in hundert Jahren den langweiligen Bürojobs hinterhertrauern, die jetzt verloren gehen? Oder dem stinkenden Straßenverkehr, wenn auf selbstfahrende Autos umgestellt wird? Also zu welchem Zweck soll da noch jemand hinter dem Schalter stehen, der nichts anderes auf seinem Computer machen kann als das, was Sie zu Hause machen können? Und so denken ja mittlerweile 70, 80 Prozent der Bevölkerung. Also wenn Sie mal in eine Bankfiliale reingehen, dann sehen Sie da ein paar Menschen mit Migrationshintergrund, die kein Deutsch können, und ein paar alte Leute.
Oder ist es ja doch schade um ein nettes Gespräch mit hilfreichen Schalterbeamten, ums Flanieren entlang der Auslagen kleiner schnuckeliger Gschäftln, die aber mittlerweile geschlossen sind in ausgestorbenen Innenstädten, nur weil wir Direktkommunikation verlernt haben bzw. Finanzen oder um Zeit zu sparen, von der demnächst viele von uns jede Menge haben werden, soviel, dass sie gar nicht wissen, was sie damit anfangen sollen … Precht animiert uns dem „Paradigmenwechsel“ positiv entgegenzutreten und nicht dagegen anzukämpfen, sondern das Heft selbst in die Hand zu nehmen und so die Politik zu motivieren desgleichen zu tun. Aus einem Schuldeingeständnis heraus, weil wir wissen, dass wir analog Mitschuld haben an der digitalen Rasanz der Veränderungen. Natürlich befeuert(e) die Inanspruchnahme von Onlinediensten aller Art den sinkenden Pegel des Arbeitsangebots. Und wenn wir per Amazon smarte Systeme ins Haus lotsen und uns Multitalent „Alexa“ im Kühlschrank, im Auto, neben der Waschmaschine und im Kinderzimmer begegnet, dürfen wir uns nicht wundern, dass uns Roboter neben Annehmlichkeit, am Arbeitsmarkt Parole bieten. Mit dem Sprachbefehl „Alexa“ können Echo-Besitzer die Assistentin aktivieren und ihr Fragen stellen oder die Einkaufsliste bestücken. Alles sehr simple Aufgaben – noch.
„Wir leben nicht um zu arbeiten“, sondern „Wir arbeiten um zu leben“– dieser Spruch galt in Abwandlung auch für uns, die wir gern arbeiten und also gut leben, auch in der Pension … – Alles: Fremdvokabular für eine „Generation 4.0“ und deren Nachfolger: Hier geht’s nicht um Arbeitsverweigerer, sondern vordringlich um Menschen, denen Arbeit verweigert wird, Menschen, die aus heutiger Sicht unserer Gesellschaft in der Werteskala untern anzusiedeln sind, statt dass man sie für den Verlust des Rechts auf Arbeit durch eine neue, angepasste Skalierung und finanzielle Absicherung entschädigt. Das müsste die Politik angehen – jetzt oder nie, aber man traut sich nicht, oder schlimmer noch: Sieht keine Notwendigkeit – es gibt soviel an Tagespolitik zu erledigen – Politisches Kleingeld, das sich in Umfragewerten und Stimmen niederschlägt im „Hier & Jetzt“, da gilt es ein so geartetes, zukünftiges Szenario, das noch dazu ausgehend vom „Status Quo“ dem Wahlvolk schwer zu erklären ist, eher zu umschiffen, zumal wenn man weiß (oder auch nicht), dass man damit eigentlich schon vor Jahren hätten beginnen müssen, wenn das „Unvermeidliche“ sanft & „smart“ über die Bühne gehen soll – R. D. Precht bringt unsere aktuellen Situation auf den Punkt: „Also was wir im Augenblick machen, ist, wir dekorieren auf der Titanic die Liegestühle um“
„Das Niveau auf dem man hier nun diskutiert … wird dem Ernst der Lage nicht gerecht“ (Zitat von Precht aus der Sendung / Min 37)
Regieren sollte eigentlich bedeuten: Agieren statt reagieren, denn nur so kann man gestalten. Doch wie setzen Staaten und Politik sich gegen multinationale Großkonzerne durch, deren Forschungs- und Investitionsbudgets die Etats kleinerer Nationen übertreffen? Kommerzielle Unternehmen bekommen eine irrsinnige Macht und Kontrolle natürlich dadurch, dass sie die ganzen Daten der Menschen bekommen und vieles andere mehr. Es entstehen digitale Supermächte, und diese digitalen Supermächte, denen kann völlig egal sein, wer unter ihnen Bundeskanzler ist oder amerikanischer Präsident. Dann bekämen wir eine Art technokratische Diktatur dieser Mächte, die alle meist persönlich ganz nett sind und pausenlos davon erzählen, dass sie nichts anderes wollen, als die großen Probleme der Menschheit zu lösen– Sehr verdächtig aber durchaus verständlich:
„An einer Massenverelendung und einem Abbau der Sozialgesetzgebung, die dazu führt, dass die Leute am Ende alle nur noch Wanderarbeiter sind, Wanderarbeiter im Netz vielleicht, hat überhaupt niemand ein Interesse, also die digitale Industrie genauso wenig wie jeder Staat. Und die Folge wird sein, dass die Staaten aus diesem Grund – und zwar aus diesem Grund und aus keinem anderen – ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen werden, ein bedingungsloses Grundeinkommen, das verhindert, dass die Kaufkraft sinkt, soziale Unruhen ausbrechen. Oder, aus der Logik des Silicon Valley gedacht, der Datenhandel ist nur unter einer Bedingung ein lukratives Geschäft: dass derjenige, dem ich meine gezielte Werbung auf den Computer lade, dass der in der Lage ist, diese Produkte auch zu kaufen“
Die CEOs der großen Unternehmen denken über diese Dinge nach und beschäftigen sich also sehr viel damit. Die Politik denkt darüber sehr, sehr wenig nach und was ich ihnen dann sage, wird von ihr wie ein Science-Fiction-Film wahrgenommen. Und so ist noch geringer als das Vertrauen in die zukünftigen Märkte daher dasjenige in die Politik – eine solche Politik formuliert keine Zukunftsbilder, sondern produziert Verunsicherung, Angst & Wut – wahrgenommen als asoziales Verhalten auf sozialen Kanälen ebensolcher Medien, kommt es so zum verbalen Terror im Netz, das als Ventil im Kochtopf der Gesellschaft dient …
Letztlich geht die digitale Revolution weit über die Industrie hinaus. Bislang redeten wir von der Revolution der Produktionsmaschinen. Die digitale Revolution aber ist die Revolution der Informationsmaschinen.
Man wünscht sich zurück in sichere Häfen. Die Retropie erblüht, also die rückgewandte Utopie, aus einer unglaublichen Angst vor der Beschleunigung und vor der Entfremdung. Also „Überfremdung“ und Entfremdung … Bis dato erregen sich Menschen über rund eine Million zugewanderte Menschen, von denen sogar die Wirtschaft hofft, dass sie ihre Demografieprobleme lösen. Was steht uns da bevor?
Das sogenannte „Flüchtlingsproblem“ ist aber (noch) nicht wirklich das brisanteste Thema, das uns und die Politik beschäftigen sollte.: Derzeit drängen –wie schon in alten Zeiten- die Menschen Schutz oder Heil suchend in den vermeintlichen Speck- und Hochkulturgürtel. Doch das eigentliche bedrohliche Szenario einer „unregulierten“ Zukunft sind nicht die Ströme der 3. in die 2. oder 1. Welt, sondern der bereits weit fortgeschrittene evolutionäre Umbau in der Arbeitswelt unseres Gesellschaftssystems. Und da braucht es keine Terroranschläge von „außen“, um das innere Gemisch zur Explosion zu bringen, wenn sich die vertrösteten, wegrationalisierten Massen im unveränderten Wertesystem als quasi Verlierer gegen die vermeintlichen „Eliten“ einer dann vielleicht sogar nur noch maximal „Ein Drittel Arbeithaber-Gesellschaft“ Revolution machen.
Der technische „Fortschritt“ ist der einzige Fortschritt in der Geschichte der Menschheit, der irreversibel ist, also unaufhaltsam und nicht rückdrehbar.
Eine ungebremste Digitalisierung würde vor allem zur Spaltung der Gesellschaft beitragen. Die Teilung der Mittelschicht in eine obere und eine untere bietet schon heute viel Anlass zu Sorge und Unruhe. Wie wird es dann wohl in wenigen Jahren um sie stehen, wenn erst Banken und Versicherungen, dann die Automobilindustrie und ihre Zulieferfirmen Hunderttausende Mitarbeiter entlassen? Eine große Studie der Universität Oxford zur Zukunft der Arbeit nahelegt? Etwa die Hälfte aller heutigen Arbeitsplätze in der westlichen Welt könnten schon 2030 nicht mehr existieren. (- Spekulativ, aber durchaus wert so richtig ernst genommen zu werden …)
Eine verbreitete große Sorge um die Grundrechte hat inzwischen ihren Ausdruck im Bürgerprojekt der „Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union“ gefunden. Im vorindustrialisierten frühen 19. Jahrhundert verhungerten in Mitteleuropa noch Hunderttausende Bauern. Wollen wir uns im 21. Jahrhundert auf ein erneutes soziales Desaster einlassen? Das Selbstwertgefühl von Millionen Menschen wird von den neuen Entwicklungen betroffen. Noch definieren sie ihre Leistungsfähigkeit als Tüchtigkeit im Sinne einer Arbeitsethik der Strebsamkeit. Doch was ist, wenn dann für die Hälfte der Bevölkerung plötzlich keine Arbeit mehr existiert?
Deshalb hilft nur – und so sehen das die Autoren der Charta ja auch –, dass eine laute und lebhafte Debatte geführt wird: jetzt, hier und überall! Dass wir Parteien dazu nötigen, mit Visionen der zukünftigen Gesellschaft in Wahlkämpfe zu ziehen.
Dass Roboter keine Steuern zahlen ist kein Geheimnis, sehrwohl aber die, die diese zum Einsatz bringen und dafür mit einer Produktionssteigerung, höherer Dividende, einem weiter steigenden Wirtschaftswachstum belohnt werden, sofern dies auch den Arbeitnehmers zugute kommt und nicht ausschließlich zur weiteren Steigerung investiert wird.
Der Firmenchef, der seine Mitarbeiter mit flammenden Worten auf die digitale Zukunft einschwört, glaubt schon nach dem zweiten Glas Wein selbst nicht mehr so recht daran, dass alles gut oder gar besser wird.
„Job-Garantie“ ist für die jetzige „Punkt-Null-Generation“ ein Fremd- oder besser noch die uneinlösbare politische Unwortblase geworden …
Diese Generation Praktikum hat längst aufgezeigt, dass es nicht mehr ausreicht – wie uns die Politik noch immer glauben machen will, dass Aus- statt Bildung eine Jobgarantie darstellt. „Mehrjährige Berufserfahrung, wenn möglich im Ausland erworben sollten nebst fertigem Studium 18-jährige Absolventen der „Neuen Matura“ (mit den dabei fürs Studium an den Unis erworbenen, bedauerlichen „Multiple Choice –Kenntnissen“) mitbringen, wenn sie sich der mehrtägigen Castingshow eines Unternehmens unterwerfen, das im Gegenzug nur einen mit 300.- oder gar 500.- Euro pro Monat dotierten Praktikumsplatz anzubieten hat. Spätere Aufstiegschancen nicht ausgeschlossen, die sich allerdings im Falle der Bewährung nach etwa 2 Jahren in Luft auslösen, denn bevor man mehr zahlen müsste wird einfach ein neues williges billigeres Opfer nach dem zuvor geschilderten Auswahlmodus kurz an Bord genommen. Wenn in diesem Zusammenhang aus dem linken politischen Spektrum von „Scheiß Jobs“ die Rede ist, so mag dies wahlkämpferisch überzogen plakativ affichiert worden sein, aber jeder geschasste Praktikant wird das unterschreiben …
Ein flächendeckendes Grundeinkommen würde auch eine Spirale nach unten beenden: Es wäre auch das Ende aller Schlupflöcher des ausufernden Lohndumpings. Denn es gäbe keine Existenzangst mehr, die Menschen dazu nötigt unsichere, gefährliche Jobs anzunehmen oder fast zum Nulltarif arbeiten zu müssen. Die vorgeschobene „Angst“ der Gegner dieser faktisch einzig möglichen Zukunftslösung, dass sich dann alle in die sogenannte „Soziale Hängematte“ begeben würden, haben Untersuchungen entkräftet, bei der gerade diese Gruppierung betonte in jedem Fall weiter arbeiten zu wollen. Und das kommt nicht von ungefähr, ist doch gerade sie mit meist guten, ertragreichen Jobs gesegnet und daher in erster Linie an der unveränderten Erhaltung dieses Zustands interessiert. Gute Arbeitsbedingungen kombiniert mit ebensolchen Löhnen würden aber auch jene, die derzeit davon ausgeschlossen sind sofort hochprozentig in diese neue, gerechtere Welt der Erwerbstätigkeit herein holen.
Noch kurz zur „boomenden“ Start-up-Szene: Natürlich setzen sich da und dort einige geniale Geister durch und blühen dann zu richtigen, florierenden Firmen auf – kein Wunder, da ja das Reservoir, aus dem diese Highlights schlüpfen entsprechend groß ist. Dass viele dieser Start- up- Schnuppen allerdings in kürzester Zeit (wenigen Jahren) wieder verglühen, geht unter in der aufbrechenden Euphorie. Wenn man sich überlegt, dass die große Zahl der Start-ups sich aber meist rekrutiert aus Leuten, die im gängigen Arbeitsmarkt nicht unterkommen und so in die „Selbstständigkeit“ flüchten, sieht die Sache nüchtern betrachtet schon wieder anders aus.
Viel zu wenig wird thematisiert, dass die Gelegenheit, einen neuen Gesellschaftsvertrag zu schließen, nie so günstig ist wie in den Zeiten eines ökonomischen Umbruchs. Warum sehen wir nicht, dass man eine Gesellschafts- und Wirtschaftsform schaffen könnte, die Menschen von oft unwürdigen Arbeiten befreit? Warum erschließen wir die fantastischen Möglichkeiten digitaler Technologie nur aus dem Blickwinkel des wirtschaftlichen Wettbewerbs, statt als Möglichkeit, Menschsein in ganz neuen Formen zu gestalten. Dass der Wert des Menschen abhängig ist von seiner Arbeitsleistung gegen Geld ist keine anthropologische Konstante. Es ist ein englisches Konzept des 17. Jahrhunderts. Warum sollten wir nicht auch zu neuen Tugendbegriffen finden.
Es fehlt die Gesamtintelligenz, die so etwas einführen könnte. Wir haben keinen Supervisor im Hinblick auf die ökonomische Entwicklung. Seit Jahren beschäftigt sich der „Club of Rome“ unter Punkt 3.7 Digitalisierung 4.0 (zwischen Robotik und Big Data) mit der Thematik. Die US-amerikanische Soziologin Juliet B. Schor schlägt vor, jedes Jahr drei Prozent weniger Arbeit anstatt drei Prozent mehr Einkommen … so prinzipielle Ideen wie, alle arbeiten zum Beispiel ein bisschen weniger, dann bleibt auch mehr Arbeit für alle übrig, oder wir brauchen doch nicht mehr Wirtschaftswachstum, sondern wir bräuchten mehr qualitatives Wachstum und so weiter, das ist alles richtig.
Aber auf dem Weg dahin sehe ich ganz, ganz starke Ausschläge und Erschütterungen, und damit wir nicht solche furchtbaren Erschütterungen kriegen wie in der ersten und in der zweiten industriellen Revolution, jetzt in der vierten, ist es wahnsinnig wichtig, den Menschen so weit wie möglich die Augen zu öffnen – und zwar einerseits den Politikern, was schwer genug ist, und auf der anderen Seite so vielen Menschen wie möglich in der Bevölkerung, damit ein starker Strom aus dem Volk heraus kommt, dass die Leute sagen, da muss doch was gemacht werden, das müssen wir anders machen, das müssen wir auch machen. Das ist das Einzige, worauf die Politik hört. Also es nützt nichts, oben den Menschen zu sagen, was sie tun sollen, wenn aus dem Volk heraus nur rückwärtsgewandte Ideen auftreten und nicht mehr und mehr positive, nach vorwärts gewandte Ideen für diese große Umgestaltung der Gesellschaft.
M P
(inkl. Originalzitaten, sowie gekürzten, adaptierten Zitaten aus einem Interview mit dem Philosophen Richard David Precht im DLF)
L E E R L A U F statt L E H R S T E L L EVon AHS und HÖRSAAL zu AMS und SCHICKSAL
Hinweis nur für „Digital Naives“: Worte dieser Farbgebungverstecken Infos, Bilder … , die durch einen linken „Maus-Klick“ aktiviert werden können !
Dazu ein interessanter, wichtiger Beitrag aufdorfTVmit
Veronika Bohrn Mena
:Talk im Turm 2019 – Vom Überwachungskapitalismus zur Wissensdemokratie
Das Ding fliegt! Warum und wie ist eine andere Sache.
Am Pfingssonntag hob die Festwochenrakete Alpha 1-8 in der „Regie“ von Chaos-Kapitän Meese im Theater an der Wien ab. Mit an Bord: Stab(s)offizierin und sichere Steuerfrau Simone Young,
die mit Übersicht von der Brücke aus dafür sorgte, dass es mit dem MutterZschiff nicht abwärZ geht. Für den musikalischen Treibstoff verantwortlich Komponist Bernhard Lang, der Wagnersches Kerosin für Jazzensemble, Synthesizer und das Klangforum Wien aufbereitete.
Als würde eine alte Platte immer wieder hängen bleiben
Das Wagnerzitat „Kinder schafft Neues“ wurde dem Publikum noch schnell rechtfertigend von der Dramaturgie mit auf den Weg gegeben, bevor man das Filetstück der Festwochen 017 – heftigst von diesen gehypt – auf die Reise schickte. „Affin zur Looptechnik“ von Bernhard Lang werden rudimentäre Wagnermotive im Schnitt 3x wiederholt, was in Verbindung mit den gekürzten und leicht abgeänderten Originaltexten wie stotterndes „Stammeln“ klingt.
Dazu gibt’s per Einblendung Libretto inklusive Erklärung meist kombiniert mit Bruchstücken des Meeseschen Kunstmanifests.
Szenisch wird eröffnet in einer eisigen Mondlandschaft, wo GurnemantZ im Meese-Look (Trainingsanzug Marke Castro) einem Kühlschrank entsteigt (- wenn man der Beschriftung Glauben schenken darf: Eine Art Wohngemeinschaft mit Hagen) Wolfgang Bankl beweist sich nicht nur bei der folgenden Gurnemanz-Erzählung als gepflegter Bassbariton. Gerade hier und später im 2. Akt wirken die dreimaligen Repetitionen nachhaltig einprägsam, wie ermüdend. Kundry, die in jedem Akt „neu erfunden“ wird, darf zu Beginn die Richard-Montur anlegen, Amfortas wird mit einer rotierenden Scheibe, die er sich in Klingsors Sinnensgarten geholt hat auf einem Wellnessthron platziert. Parzefool erscheint natürlich mit einem „Kunsttransparent“ ausgestattet. Satt eines toten Schwans kommt ein roter Drache geflogen, denn Drache hat auch etwas mit Wagner zu tun. Weil aber Fafner keine Federn hat, wird musikalisch noch schnell das Lohengrin-Zitat des „Lieben Schwans“ nachgereicht. Parsifal ist immerhin dessen Vater und überhaupt muss man das in der Meese-Wagnerwelt nicht so eng sehen. Vereinzelte Lacher im Publikum lassen die Frage hoch kochen, ob es sich um eine versuchte Parodie handeln könnte. Aber nein, denn da kennen wir bessere Varianten von der Bayreuther Kinderoper und der dortigen Studiobühne jenseits des grünen Hügels.
Bei Meese handelt es sich laut Ankündigung um eine Space Opera. „Zum Raum wird hier die Zeit“ – Das wird dem geneigten Publikum spätestens an dieser Stelle der Inszenierung klar, wenn Meese himself dazu seine Thesen & Zeichen per Projektion auf eine „Overheadfolie“ pinselt, während digitale Gralsglocken Oktaven tiefer dem Subwoofer entdröhnen. Die Gralsburg ist (Kinder schafft Neues) Wahnfried – hinter einer Zardoz-Maske (wenigstens einen „Fliegenden Wagnerschädel“ hat man ausgespart). Fast provokant wirkt die Frage von Gurnemanz: „Weißt du, was du sahst?“ Ja: Eine angekündigte Wagner-Dekonstruktion, die allerdings szenisch weitgehend sinnfrei und ohne wirklichen „Unterhaltungswert“ in einer filigranen Collage von Versatzstücken und Personen der Meese-Welt als „Wagner-Experiment“ verbraten werden. Parzefool spielt mit der Holzpuppe Titurel – es könnte aber genauso gut Pinocchio sein. James Bond am „Overhead“, Emma Peel als Texteinblendung, Klingsors Turm ist ein riesiger Strohmann (Wicker Man), Kundry II verführt als Barbarella Parzefool mit einem Indianerkanu, denn dieser wird durch deren Kuss nicht hellsichtig, sondern geht lieber Boot fahren. Die Blumenmädchen singen französisch (angeblicher Kotau vor Judith Gauthier) – wenn schon dann wäre Englisch besser gewesen, zumal Wagner in der Partitur an dieser Stelle notiert: „Amerikanisch sein wollend“ (Bessere Wahl: Das in Linz geborene Schottische Blumenmädchen Carrie Pringle – Parsifal 1882). Der Bandeltanz der Girls um die Strohpuppe verfehlt nicht nur bei Parze-Fools die Wirkung. Untadelig die sängerischen Leistungen von Parzefool: Countertenor Daniel Gloger, der ebenso spielfreudigen Kundry Magdalena Anna Hofmann. Der künstlerische Dank gilt auch Amfortas: Tómas Tómasson und Klingsor Martin Winkler samt all seinen „KlingonInnen“, den Knappen und dem „antiken“ Gralsritterchor.
„Höhepunkt“: 3. Akt Parzefool hat aus dem Excaliburfilm die Goldrüstung entwendet und platzt in den Lang-Film die Nibelungen (Teil 1 & 2), der als Rückprojektion den Background bis Ende des „Karfreitagzaubers“ bietet. Originell, wenn König Etzl ums Eck schaut bei der Stelle: „Und ich, ich bin’s der all dies Elend schuf“ – Die Antwort lautet: Nein !
Die Einblendung: „K.U.N.S.T überlebt“ hingegen ist völlig richtig und bedeutet, dass Wagner und sein Bühnenweihespiel kein Problem mit Meeses Umdeutung haben, die nach der Wiener UA beklatscht vom gewogenen Festwochenpremierenpublikum, nach einem Aufguss in Berlin hingegen Geschichte sein dürfte. Für einenNeo-Parsifal(allerdings ohne Musik) empfiehlt sich nach wie vor wohl eher das Leinwandepos „Matrix“ … Hier entwickeln sich doch tatsächlich Figuren und Handlung mit einem Bezug zur Vorlage …
Ein wahres „Handy–cap“ muss sich nicht erst beim 18. Funk-Loch im Netz abzeichnen: Wenn man mit einem > Wertkarten-Nokia ohne igendwas < ausgestattet ist, dieses Ding faktisch permanent abschaltet und höchstens alle 3 Monate mit einem Guthaben von etwa 20 Euro ausstattet, dann scheint das hoch verdächtig und eigentlich ein Fall für eine totale rundum Spezialbeobachtungen durch diverse Nachrichtendienste zu sein. Solch „Non konformes Verhalten“ wie ausschließliches Telefonieren geht ebenso wenig wie ganz seltenes Posten auf Facebook und führt zum sicher ganz baldigen Ausschluss aus unserer Netz-Community – Es könnte sich bei den Deliquenten ja möglicherweise um Roboter oder gefährlichen Revoluzzer im www. handeln … (Maybe auch: Renitente „Fortschritts-Verweigerer“ oder gar Senioren)
Smart, smarter, Smartphone – das „Must“ dieser Tage mit integriertem „Alles“, wie Radio, Wetterhäuschen oder einer App-Sammlung bis zur möglichen Schlafrhythmus-Beobachtung.
Aber sehen wir uns die fragwürdigen Vorteile eines smarten Phons an, das oh Wunder am zweithäufigsten sogar zum Telefonieren verwendet wird und, so berichtet uns die Statistik, am häufigsten als Uhr genutzt wird. Wozu also eine ach so „geile“ Rolex, wenn Mann/Frau ohnehin auch auf das selbe öde Smart-Handy wie die anderen 7 Nachbarn in der U-Bahn glotzen kann, um zu „checken“ wieviel es auf der Turmuhr 100 Meter weiter oben und dort weithin hörbar unter freiem Himmel geschlagen hat. What`sApp & Co haben die kurz prägnanten SMS verdrängt, weil da kann man so schön Fotos weltweit rum schicken, was zwar per Mail am Phone auch möglich ist, aber nicht ganz so zeitgeistig klingt. Tja und das Phone ist immer und überall (wie das „Böse“) – speziell auch bei Tisch: Das „Handy“ ist fixer Bestandteil des Menüplans und vorher, nachher sowie dazwischen im Einsatz – Es isst auch mit und lässt so das ganze „www“ dran teilhaben – Ja es gibt Leute, die drücken sogar ab, selbst wenn sie nur einen Kaugummi vom Stanniol befreit haben … Das Tischgespräch findet auswärts im Netz statt. Was früher das Tischgebet war ist jetzt der „Schnappschuss“ über den inneren Tellerrand. Apropos Fotos: Die kann auch jede(r) mit dem Ding erwackeln oder sich selbst als Bilder von der Stange unter dem Titel Selfies anderen bei jeder noch so unpassenden Gelegenheit (also ständig) aufs Aug drücken. Sowas nennt man > Bilder teilen < & viele Adressaten auf den „Sozialen Medienplattformen“ wären meist froh, wenn tatsächlich nur Teile des überbordenden Bildmaterials von gefüllten Tellern und ab und an auch von weniger „smarten“ Körperteilen über sie hereinbrechen würden und rächen sich ihrerseits mit Bild füllenden Mit-„Teilungen“. – Apropos „Soziale Kontakte“ und … Kommunikation: „Nach dem Weg fragen war gestern“ –Karten & Navi bewahren den, selbst lokal topographisch völlig hilflosen User vor jeder verbalen Fremdanmache. „Musicstreaming macht Öffis & Co-Working erträglicher“ – auch eine ganz klar unmissverständliche, totale, 110%ige Abschottungsansage. Wirklich toll ist die sportliche „Message“, dass man mit dem „smarten Ding“ weltweit „Surfen“ kann –und das ohne Brett, allerdings nur im Internetz, aber immerhin.
„Das Büro ist immer und überall dabei“ verspricht das umfassende „Officeanwendungsangebot“ – so ein Glück aber auch …
Will man das? – ist nur die leicht zu beantwortende Frage: Sicher nicht ! „Spiele wie Candy Crush besiegen die Langeweile“ droht die Vorteilsliste und warnt den usenden Looser, dass ihm/ihr dadurch die letzte Möglichkeit genommen wird sich kreativen & kontemplativen Phasen auszusetzen, ja nicht Stimmungen zu genießen, oder erst aufkommen zu lassen, Situationen zu beobachten, von der Umgebung etwas mitzubekommen, oder gar in eine analoge Welt abzutauchen. Vielleicht noch kurz beim Duschen, aber gibt’s nicht auch schon wasserfeste Phones … ? Unsere Nächte haben sie längst gemeinsam mit den Tablets erobert:
Jede Menge Digi-Junkies schlafen fast ausschließlich nur noch mit diesen smarten Geräten – „Somnus Interruptus“ inklusive …
Und sollte jemand doch neben seinem Phone einschlafen: Es hat eine Wecker- und Kalender-Funktion. Bei wirklich wichtigen Terminen lässt sich meine Frau allerdings von mir wecken, da mein 3.- Euro Plastik Klingelwecker deutlich öfter, nämlich täglich auch tatsächlich funktioniert und wenn, wie sooft der Akku ihres Luxusphones leer ist, helf ich auch gern mit meinem Faltkalender aus, der mit einem Kugelschreiber betrieben wird. Ich geb zu, dass ich dabei schon mal ein Phone als Taschenlampe benutzt hab, aber ich sag mal es gäbe noch so viele Lebensbereiche und solange man mit dem Gerät nicht auch wirklich bügeln kann …bestellich mir sicher keines !
Seneca ad Nokia: > Non scholae, sed nokia discimus <
Das iPhone ist nicht gut für Dissertanten:> an Apple a day keeps the doctor away <
„Der Höhepunkt von Luxus ist für mich, nicht ständig auf die Uhr schauen oder telefonieren zu müssen … Telefone sind etwas fürs Personal !„ (Karl Lagerfeld)
Wie lautet das bitterböse Schlusswort in der Verfilmung des Bestsellers „Angerichtet“ in Sachen Menschheit? – „Lauter Affen mit Handys !“ … – „Idioten“ eines digitalen Neo-Biedermeiers?
Manfred Pilsz
– Bin ab sofort unter folgender neuer Nummer am neuen Handy nicht erreichbar ……………………………………………………………………………………………………………………………………………………..
Handy-Autismus poor: Klammern ans Phone – um nicht kommunizieren zu müssen
Hinweis nur für „Digital Naives“: Worte dieser Farbgebungverstecken Infos, Bilder … , die durch einen linken „Maus-Klick“ aktiviert werden können !
Wenn in der Inszenierung von Romeo Castellucci in der Bayerischen Staatsoper München beim Einsetzen des Pilgermotivs zu Beginn der Ouvertüre von Tannhäuser „Amazonen“ die Bühne betreten, ist die Wagner-Welt noch in Ordnung. Ebenso, wenn bei den folgenden Venus-Klängen von diesen pfeilschnell und genau zur Musik, durchchoreographiert zuerst auf ein projiziertes Auge und dann auf ein Ohr geschossen wird – Liebespfeile auf empfängliche Sinnesorgane, über die dann Tannhäuser in den Schnürboden der Lust hoch turnt.
Mit Erscheinen der Venus in „Mega-Willendorfscher Dimension“ versinkt „Bacchantisches“ sofort in Fleischesunlust (- der gelernte Wagnerianer denkt dabei an die alten, bunten Bilder von Liebigs Fleischextrakt). Angesichts dieses „Fleisch-gewordenen“ Venusbergs sollten auch die Letzten im Publikum verstanden haben, warum der minnigliche Sänger genug von den „Reizen“ seiner Liebesgöttin hat und sich lieber dem Pfeilhagel des ihm folgenden Amazonenschwadrons von Kollegen Amor ausliefert. Dass Frau Venus auch anders kann vermittelt stimmlich vorzüglich Elena Pankratova. Kein Wunder jedenfalls, dass Tannhäuser bei seiner Ode tönt, als hätte sich Tamino in den Berg der Venus verirrt – Klaus Florian Vogt klingt speziell in dieser Rolle manchmal fast lyrisch fragil, ist aber keinen Moment gefährdet unterzugehen – ab und an würde man sich eine heldischere, samtigere Färbung wünschen und nicht dieses „knäbische Timbre“, wenngleich er die immer extrem direkt geführte Stimme bewundernswert sicher zum Einsatz bringt.
Selbst die Wiederkehr der Pfeilmädchen samt Bühnenross mittig in selbiger drapiert in einer Art Liebesgrotte, kann den kühnen Sänger nicht von seiner Rückkehr in die Wartburgwelt abhalten. Dort wird er auch von seinen Sängerkollegen mit Pfeil und Bogen – diesmal sind es Jagdgeräte und später im 2. Akt Waffen- empfangen, ja wie eine Beute in die Burg gebracht.
Auch der 2. Akt ist schlüssig und entwickelt sich ebenfalls in einer fließenden, permanenten Metamorphose – diesmal in Form sich bewegender Vorhänge. Es gab wohl noch nie so viele Vorhänge während eines Stücks noch vor dem Schlussapplaus. Manchmal rotieren sie wie tanzende Derwische wunderbar auf die Musik abgestimmt über der sonst eher statisches Szene. Zuckende fleischliche Körper und Pfeilmädchen vermitteln auch in der puritanisch blass beigen Wartburgwelt die Präsenz der Sinnlichkeit. Ohne Pfeile wird diesmal der Bogen
(wie in der Musikgeschichte bekannt) zum Instrument und den Sängern gereicht, die in die Saiten greifen und Tannhäuser das Preislied an die heidnische Göttin entlocken. Dabei wie immer makellos und in alter Bayreuther Diktion der Wolfram von Christian Gerhaher und als „Muster-Landgraf“ wie gewohnt verlässlich Georg Zeppenfeld. Bei der Elisabeth von Anja Harteros wird sehr schnell klar warum alle Vorstellungen ausverkauft sind: … Dich teure Halle „füll“ ich wieder … Der schlank geführte, exakt wohl tönende Chor tut ein übriges.
„Der Welt noch einen Tannhäuser schuldig“
Es gibt wohl kein Werk bei dem der Bayreuther Groß-Meister so wenig von seinem Tun überzeugt war, wie bei seiner Wartburg-Saga – „Er sei der Welt noch einen Tannhäuser schuldig“ (Zitat R.W. kurz vor seinem Tod) – und so befinden sich mehrere Varianten davon im Köcher der Theatermacher – Stabführer Kirill Petrenko hat sich für die letztgültige Wiener Fassung (die Wagner selbst dort 1875 inszenierte) entschieden und sorgte wie auch sonst zu München für eine sichere orchestrale Pilgerfahrt vom Hörselberg des ersten Akts bis zur Erlösung (- doch was löst sich?)
Im 3. Akt, nach dem wunderbaren Pilgerchor kippt das Regiekonzept und (zer)stört Alles nachhaltig. Dabei laufen gerade beim berührenden Abendstern und der nachfolgenden Romerzählung Dirigent, Wolfram und der Titelheld zur Höchstform auf, geopfert dem sinnlosen, fehlenden Vertrauen eines Regisseurs in die Tragfähigkeit eines bewährten Stücks und ebensolcher Musik.
„Hagens Körperwelten“ – falsches Stück?
Diese wunderbare Ensembleleistung wird überdeckt durch nervende Schrifteinblendungen zur „Vergänglichkeit“ von einer Sekunde bis zu Milliarden von Milliarden von Milliarden Jahren (Begriffe wir Billiarden, Trilliarden usw. haben sich nicht bis zur Regie durchgesprochen) direkt über den Köpfen der Sänger. Zusätzlich werden hinter den Protagonisten dramaturgisch sinnentleert Leichen in fortschreitenden Verwesungszuständen auf Sockeln mit der Aufschrift „Anja“ bzw. „Klaus“ hin und her chanchiert (- übrigens: Videoprojektion wäre für solch störendes Tun bereits erfunden) – Was will uns dieses Pathologieshow-Schlussbild sagen?
Handelt es sich dabei um einen Hinweis auf die Vergänglichkeit von Besetzungslisten, Theaterzettel, ja des Theaterbetriebs im Allgemeinen? Mit den Intentionen und der Geschichte des Sängers Heinrich Tannhäuser bzw. Wagners Gedanken dazu hat diese Auslegung und Umsetzung rein gar nichts zu tun. Und so bleiben, wie auf der Bühne am Schluss nur Staubhäufchen von dieser Inszenierung übrig. Schade um diesen musikalisch wundervollen und bis zur Rückkehr der Pilger auch sehenswerten Tannhäuser.
Als Vertreter der „Digital Naivs“ bzw. der „Boomers“, beheimatet in den Niederungen des analogen Neandertals, wurde man schon von der binären „Generation X“ der „Nachwirtschaftswunderzeit“ milde belächelt. Mit Ausbruch der „Ars Electronica“ schlossen speziell interessierte Linzer Insider vorübergehend auf und schafften sogar den Spagat von „Interface“ zu „Facebook“. Doch kaum hatte man sich an Mail und SMS gewöhnt wurde auch schon beides von den nunmehr angekommenen „Digital Natives“ nicht mehr beachtet, geschweige denn beantwortet. Denn die „Generation Y“ bewegt sich auf Instagram und jongliert mit Apps. Du denkst dir noch mit einem Blick auf dein old Nokia-Handy: „Vorsicht Leute, demnächst gehen die Buchstaben aus“, als die „Generation Z“ lautstark Oma & Opa auffordert das Fläschchen zu wärmen oder die analogen Windeln zu wechseln, weil „Mama X“ in der Arbeit ist und die ältere „Schwester Y“ jetzt nach der Schule erstmal „Auszeit“ mit dem iPhone benötigt. In dieser Phase könnte man die Vertreterin dieser chilligen „Generation Why“ mitten hinein in die „Work-Life-Balance“ mit einer Frage überfallen: Whats „App“?
In der „Guten Alten Zeit“ von „Web 0.0“ schrieb man App noch anders und man meinte damit so etwas wie einen >monkey< … Jedes Mal fällt mir in diesem Zusammenhang diese geniale Urszene aus Stanley Kubricks „2001 – Odyssee im Weltraum“ ein, in der ein Affe einen Knochen in die Luft schleudert, der in höheren Sphären zu einem Raumschiff mutiert …
Was hatten wir „Ape-Men“ für eine Freude, als wir sicher auf der Homepage von Web 1.0 angekommen waren und merkten gar nicht, dass wir bereits von den Blogs, Facebook und Twitter des Web 2.0 umzingelt waren. Noch bevor wir diese Welt erreichten war Web 3.0 ausgebrochen. Als naive >Null ohne Punkt< steht man seither am Spielfeldrand und wartet mit offenem Mund staunend auf die vom Unterrichtsministerium prognostizierten „4.0-Avatare“ – jeder ausgestattet mit einem Gratis-Tablet, das eigentlich nicht gebraucht wird, da man ja ohnehin smarte Phones sein Eigen nennt. Aber solange es auch noch Inhalte gibt, die im Zuge der nunmehr digitalen Evolution vermittelt werden und eine kritische Selbstreflexion wach bleibt, sollte es uns analogen Urzeitlern recht sein. Eine vage Hoffnung auf „Entschleunigung“ stirbt zuletzt. Im Vertrauen auf das „Gesetz der Komplementarität der Medien“ und vielleicht gibt’s ja einen überraschenden „Analog-iiie-Schluss“ …
„Ihr seid doch das Mediengym: Könnte jemand von euch die Sendung aufnehmen und eine VHS-Kopie anfertigen?“ – oder wenig später: „Könnte das jemand von euch auf den PC überspielen?“
Meistens reduziert man die auf den Medienerlass ausgelagerte und somit auf alle Fächer aufgeteilte – sprich: Somit praktisch ins NICHTS abgeschobene – Medienerziehung auf die Beherrschung technischer „Finessen“, angewandte Informatik und Gerätekunde, die meist schon wieder Geschichte ist, bevor noch die frisch gelernten Fertigkeiten abgeprüft wurden …Wie digital muss / soll Schule sein?
Inhaltliches, Auswirkungen, Analyse, Kreativität im Umgang mit Medien stehen meist nicht zur Debatte, wenn von Medienunterricht die Rede ist. Auch derzeit geht es in erster Linie umLaptops und Breitbandinternet für ALLE. Da hat man was zum Vorzeigen in bester Auflösung von K4 oder wenigstens Ultra HD-Qualität – vierfach gepixelte Megasuperqualität … da könnte man damit dann einen technisch sensationell tollen Film machen, wenn man wüsste wies geht … vielleicht im Rahmen echter theoretischer und vor allem praktischer Medienerziehung wie bei uns im Fadinger Gym. Kreativität statt ausschließlich kurzlebiger Technikkompetenzen. MRG– SCHULE FÜR MORGEN = HEUTE !
Die Glocken eines Campanile auf der Höhe des Arsenals sind eben verklungen. Der laute Fischhändler und das Gemüseboot befinden sich im heftigen Morgendialog. Umstehende Kunden versuchen sich hieram kleinen Kanal, der die anschließende Prachtstraße als Überbau enttarnt, durch Zeichensprache und laute Rufe in das Geschehen einzubringen. Gäste desCaffè La Serranahe des Biennale-Geländes haben sich nach dem Frühstück im kulinarischen Gewächshaus durch die Allee auf den Weg gemacht und biegen soeben in die Via Garibaldi ein. Hier sind die meist älteren Venezianer noch unter sich. Es geht vorbei an kleinen Bars, schmalen Durchgängen und engen Gassen in denen die nasse Wäsche über den Köpfen in der Brise, die die Morgennebel vertreiben soll flattert. Am Wasser angekommen geht es nun am Ufer über Brücken in Richtung San Marco. Gleich hier nach dem Ende der Garibaldi wird man von ersten Kostümierten begleitet, die sich in Deutsch – oder ist es doch Französisch – unterhalten und sich bei der nun folgenden Kanalquerung die Stufen ersparen, denn der Karneval lässt sich hier barrierefrei an.
Bald vermischen sich nach dem „Arsenal“ die Pilger mit den blassen, hauptamtlichen Kostümträgerinnen , die gleich Wegweisern, meist mit extra weiten Röcken neben den Übergängen platziert sind. Spätestens auf der Höhe des Danieli, wenn die kostümierte Maskendichte nur noch durch das rudelweise Auftreten junger quirliger Japanerinnen überboten wird, fallen die letzten Schutzhüllen standhafter Fotokameras. Ein Model im weißen Seidenkleid, das sich eben noch an einer Laternenstange versuchen durfte, wird direkt vor der Seufzerbrücke in wärmende Decken eingeschlagen. Ein eisiger Wind fegt von der Giudecca herüber, wie das erbarmungslose Motiv der Solovioline inVivaldis Winter.
Wie aus einer anderen Welt taucht vom Dogenpalast kommend eine grün leuchtende Frühlingsfee auf mit einer Entourage von Hobbyfotografen im Schlepptau, um diese gleich an einen nur in wenigen Metern Entfernung impulsiv posierenden „Schwarzen Schwan“ abtreten zu müssen. Ein übermütig Eitler möchte sich mit einem Selfie dazwischen drängen und wird von der wütenden Meute verjagt und entschließt sich so den fallen gelassenen Frühling zu beglücken. Das für wenige Momente wieder entblößte Dekollete unseres eben erst erfrorenen „robe blanche“ – Models wird nach einem einsamen Take sofort wieder verhüllt. Die Proteste enttäuschter, rasch herbei gestürmter „Karnevals-Paparazzi“ können daran nichts ändern. Statt dessen blitzte die gefühlte Macht von Vivaldis Eisläufer auf und dieser Kälteschock war dann doch deutlich stärker. Das konnte einen bodenlang gewandeten Kardinal nicht abhalten den Schutz der Arkaden aufzugeben, um sich mit einem jungen Rotkappenwölfchen ablichten zu lassen, während vom Markusplatz Laufstegmusik im Stile des „Rondò Veneziano“ gespickt mit Moderationsattacken herüber dröhnte. Das ging nicht nur dem exponierten Löwen, sondern auch den Glocken schlagenden, gut geeichten „Mauren“ an die Ohren.
Die Menge der vor dem Caffè Florian Wartenden hat ungeachtet dessen derweilen die Warteschlange der touristischen Dom-Aspiranten übertroffen. Die Tische am Platz davor sind längst von dominanten Möwen besetzt, während sich die anonyme Schar der Tauben mit ebensolchen Masken um beste Foto- und Futterplätze zwischen den Manufaktur-Hütterln bis Aschermittwoch einen erbitterten, immer heftigeren Kampf liefert. Dann heißt es: „Carne vale“ – „Fleisch lebe wohl“ – zumindest für die nächsten 40 Tage – bevor die Ostertouristen die Lagune erobern … Und so ist es nun Zeit für einen Besuch in Wagners „Vendramin“ oder im „Teatro La Fenice“ … Die „Narren“ sind längst gegangen – bis zum nächsten CARNEVALE DI VENEZIA …
Dem Münchner Ehepaar Anna und Florian Sand wird von einem mysteriösen Unbekannten die Einladung von Claus Patera -eines Schulkollegen von Florian aus der Salzburger Gymnasialzeit- und ein „Reisescheck“ in der Höhe von 100.000.- DM für den Aufbruch in die „Traum-Stadt“ Perle überbracht. Die Zivilisationsmüden machen sich auf in östliche Gefilde, wo sie schließlich in einer Wüstenlandschaft ihrem Schicksal überlassen werden.
Als sie plötzlich mitten in diesem steinernen Meer eine mitteleuropäisch anmutende, alte Kleinstadt vor sich ausgebreitet sehen, die von einem Fluss umspült wird. Der Himmel ist bedeckt von Wolken, die Perle abschotten von der Außenwelt, vor der sengenden Sonne schützen und ihren Bewohnern ein frischeres, milderes Klima garantieren …
Die „Filmkulisse“ ist Weltkulturerbe in Kubins Urheimat Böhmen
In den frühen Siebzigerjahren, als diese Szene über die heimischen Kinoleinwände flimmerte, war der soeben malerisch beschriebene Drehort (–80 Km von Linz entfernt-) hier kaum jemandem geläufig und dämmerte unberührt vor sich hin – fern der Tourismuskarawanen. Noch verhinderte der dichte eiserne Vorhang einen schnellen Blick auf die „Andere Seite“ und damit auf das mittlerweile allseits bekannte und beliebte Krumau an der Moldau, das der deutsche Regisseur Johannes Schaaf für seine Verfilmung von Kubins „Anderer Seite“ ausgewählt hatte. Unvergessen bleiben die Aufnahmen im Theatersaal des Schlosses, die Färberszene an der Moldau, der Leichen tragende Schimmel, der durch die alten Gassen geistert, oder der Beginn der Finalszene im unteren Schlosshof. In den Film-Bildern und Sequenzen kollidieren die Welten von Kafka, Trakl, Bosch, Dali, Buñuel, E. T. A. Hoffmann mit dem wahlverwandten, surrealen „Traumgewölk“ von Alfred Kubins literarischer Vorlage.
Kafkas Schloss ist integraler Bestandteil des Traumreichs … dieser Welt der permanenten Entschleunigung … des „Auf der Stelle – Tretens“, eines plötzlichen Fallens ins Bodenlose. Der nahtlose Übergang von Realität in Traum, der spätestens vollzogen ist, wenn das Ehepaar von einem mittelalterlichen Zwerg vom Rand der Wüste in die Traumstadt geleitet, von deren Bewohnern taxiert wird, wie Glucks Orpheus auf der Suche nach Eurydike beim Übergang am Styx ins Paradies. Kubins „Traum im Traum“ lässt die Erkenntnis von der Dualität unserer Welt und der Zusammengehörigkeit der Gegensätze der jeweils „Anderen Seiten“ gipfeln im Finalsatz seines Romans, der im Film nicht ausgesprochen wird:
„Der Demiurg ist ein Zwitter“
Es wäre schön gewesen Schaafs „Traumstadt“ im Rahmen des Alfred Kubin-Hypes eingebunden in den Aufführungsreigen rund um Opernaufführung, Ausstellung und Konzerte wieder einmal hier in Linz (oder Krumau) erleben zu dürfen.
Manfred Pilsz Text – Frühjahr 017
„DIE ANDERE SEITE“ – ein faszinierendes Stück Literatur des Zeichners Alfred Kubin – ALS OPER IN LINZ – 1973 verfilmt von J. Schaaf in Krumau an der Moldau und Anfang 80 in der Fadinger Studios …
Film „Die andere Seite“ (Harrer, Maretka, Scherfler, Barta)
Wieviel Bruckner braucht das Fest? Wieviel Fest braucht die Stadt?
Stand der Dinge zum Kalenderwechsel 2016/17
Der bevorstehende Wechsel auf der Kommandobrücke unseres in die Jahre gekommenen Musikkultur-Flaggschiffs „Brucknerhaus“ sorgt im Moment wieder einmal für mehr oder weniger Sinn stiftende Wortmeldungen aus manch politischen und sonstigen Ecken. Viele davon sind als Fragen oder schlimmer noch als schlagwortartige, einfache und meist negativ besetzte Antworten verpackt. Da wird in Verbindung mit einem Brucknerfest, das pausieren sollte von Klangwolken gesprochen, die sich längst überlebt haben und eingestellt werden sollten, ohne sofortigen Einspruch, dass diese Wolke ja eigentlich dem Dunstkreis der Linzer ARS entsprungen ist, als zentrale Veranstaltung dieser firmiert und maximal ein Bindeglied zu Bruckners Fest darstellt – also auch nicht einfach wegrationalisiert werden kann …
Als im ersten ARS-Jahrzehnt Walter Haupt noch als Wolken-Supervisor das Klangexperiment evolutionär betreute und nicht jeder Wölkner wie heute alljährlich bei Null beginnen musste, bot sich dieser Fixpunkt im Kulturgeschehen noch günstiger und künstlerisch effektiver dar.
Was ist geblieben von der kulturellen Linzer Aufbruchstimmung der 70iger aus der dieses nunmehr ungeliebte Fest und die ARS entsprungen sind? Jetzt über 40 Jahre später sieht es wohl eher nach Abbruchstimmung aus. Ein fröhliches „Linz lebt auf“ der 80er ist der Tristesse eines drohenden „Linz gibt auf“ gewichen. Kulturelle Institutionen budgetieren und programmieren mit einem immer dickeren Sparstift, den sie von der öffentlichen Hand gereicht bekommen, mit dem Auftrag, dass immer weniger für gleich viel an Qualität und vor allem Auslastung reichen muss. Ein Ergebnis dieser Diät: Abgespeckte Klangwolken.
Im Falle der „Klassik-Wolke“ kam es zur Reduktion auf ein „Stehkonzert“ im Saal …
Im Tennis würde man von einem Doppelfehler sprechen, denn ursprünglich war die Idee der Wolke: „Musik im offenen Raum“ – also eine Übertragung in den Donaupark als kühnes Klangexperiment und im Sinne von „Kultur für Alle“ vorgesehen. – Spannend und frei von Schwellen und Schranken jeder Art. Früher saß man auf einem Hocker im Gras oder stand in der von Musik durchtränkten Natur … jetzt steht man dicht gedrängt im Saal, was für den Veranstalter den Vorteil birgt, dass sicher kein Sessel im Parkett frei bleibt …
Noch billiger käme es scheints, wenn Bruckner eine Zwangs-Pause machen würde – manche wünschen sich gleich eine „Generalpause“ – im Sinne von „Brücken abbrechen“ und darin hätte man ja leider Übung. Zitate wie „Das ewige Abspielen ein und derselben Symphonien“ befeuern nur diese Denkweise, sollen uns aber nicht aus der (Brucknerschen) Fassung bringen in der wir sie gerade hören, denn der Meister und die Macher des Fests haben sich in jedem Falle dabei etwas gedacht.
Bei den „Muster-Festspielen“ in Bayreuth werden seit 1876 ausschließlich zehn Werke „rauf und runter gespielt“ – in x Inszenierungen. Allerdings handelt es sich um Musikdramen und dafür gibt’s erfahrungsgemäß mehr Publikum als für Instrumentales. Außerdem sind die Wagnergemeinden größer als die des Ansfeldener Kollegen. Man hat eingedenk dessen bei der Gründung 1974 das Brucknerfest ganz gezielt fern der Sommerspielkonkurrenz nach den Großen Ferien im wesentlichen im spielfreien September zwischen dem Brucknerschen Geburts- und Todestag angesetzt und gleich zu Beginn mit Experimenten und Werken verwandter Komponisten angereichert (- solange es kein Neues Musiktheater gab, konnte man so im Brucknerhaus konzertante Wagner-Werke erleben)
Nicht Frühjahrs- oder Osterfestspiele sind die Heilsbotschaft, sondern spontane Kreativität und konsequente, verlässliche Kontinuität sind gefragt. Publikum (egal ob jung oder alt) will sicher sein, dass es bekommt, was namentlich versprochen wird – Wo Bruckner drauf steht muss auch Bruckner drin sein ! Was es dazu braucht ist u. a. ein Management, dem man die Begeisterung für die Sache abkauft – im wahrsten Sinne des Wortes. – Ein Mensch, der jenseits seiner Netzwerke, neben Geschäftssinn und Kunstverständnis Begeisterung für sein Tun auf andere übertragen kann und neben einer unverwechselbaren Marke eine Identität zu kreieren versteht, die das Konzerthaus an der Donau ebenso ins Bewusstsein aller holt, wie das derzeit nicht wirklich ins festliche Geschehen integrierte Bruckner-Geburtshaus mit seinem nach St. Florian führenden symphonischen Wanderweg, wo es seit geraumer Zeit im Sommer rund um Ferragosto (Brucknertage Mitte August) heftig „Brucknert“. Es sollte ein feines Gesamtpaket geschnürt werden, das alle OÖ. Gedenkstätten, Bruckner-Orte, -Kirchen, -Orgeln, ja -Speisen umfasst und so auch den internationalen Brucknerfans angeboten werden von Tokio bis Connecticut (USA), wo 2016 der traditionelle „Brucknerathon“ wie jedes Jahr im September stattfand. Das Linzer Brucknerorchester bringt sich dabei als künstlerischer Botschafter im In- und Ausland sowie medial ein, nebst seiner Brückenfunktion zum Musiktheater und der Landeskultur im Allgemeinen. ABIL und Bruckner-UNI können die wissenschaftliche Dokumentation bereitstellen und so die Erstellung von Literatur zur Thematik ermöglichen, die ab und an auch durchaus breitenwirksam ausfallen sollte …
Der designierte STOP-Direktor Roščić reüssierte bei seiner Bestellung mit dem Konzepttitel „Vorwärts zu Mahler“ und von eben diesem Bruckner-Schüler G. Mahler stammt das Zitat:
„Tradition ist die Weitergabe des Feuers und nicht die Anbetung der Asche.“
Bruckner selbst war ein aufgeschlossener Neuerer mit dem es die Aschenhüter nicht immer gut meinten und so kann es für Linz und sein Fest nur lauten: „Vorwärts zu Bruckner“
Manfred Pilsz
(Seit 74 bei allen BFs zugegen, ab 79 bei jeder KW und ARS Mitgestalter von KEP alt & neu / Mitglied bei SKB & LKB) TEXT – Jänner 017
Zu End‘ ewiges Wissen !
Der Welt melden Weise nichts mehr …
Ein BLOG nicht nur für „Wagnerianer“, „Fadinger“, „Bekennende Linzer“, „Cineasten“, „Filmer“, „Videoten“, „Radio-Aktive“ & „-Fans“, sondern auch für alle ANDEREN spez. der 50er, 60er, 70er, 80er, 90er und 2000er Jahre (beiderlei Geschlechts)
Ein BLOG so richtig zum LESEN mit viel Text, aber auch Bildern, Videos …
Text, Bild- und Tondokumente für jetzt, später, ALLE, u. a. Familie, Kinder, Enkel …
Wissen ist Erinnerung
Wer schwingt sich in diesem Sinne auf hier nun im Netz zu weben in