

obige Kritik von Georgina Szeless (in voller Länge) <<< hier anklicken
Wann kommt der nächste Schwan-ensee?
Die berühmte Slezak-Frage ist (ohne See) zwar im Lohengrin beheimatet, stellte sich mir allerdings schon mehrmals: Zuletzt in den 90ern, als ich das Ballett in Petersburg in klassischer Form erleben durfte und ich mir wünschte es doch einmal als Tanztheater aufbereitet serviert zu bekommen, was dann auch der Fall war, doch diesmal:
SCHWANte mir ÜBLES !
Obiges Gefühl stellte sich bereits zu Beginn der diesmaligen „Choreographieverweigerung“ ein.
Schreiten & Posen statt Tanz(theater)
Im Falle eines Musiktheaterwerks würde man schreiben: Statische Inszenierung, mangelnde Interaktion, einfallslose Personenregie. In Kindertagen spielten wir „Versteinern“: Ein Zauberer ließ herumlaufende Kinder erstarren – Nur „Nicht Versteinerte“ konnten diese Delinquenten erlösen. Im Falle von „Linzer Schwanensee 022“ spielten zudem noch Gesten, Unterwäsche und immerhin Stück-immanente Farben eine Rolle in die fast jeder der Truppe einmal schlüpfen durfte. Was nach „Reiner Maria Zufall“ aussah war bei aufmerksamer Betrachtung durchaus geordnet und exakt, was allerdings nichts zum Themenkreis einer „Sinnhaften Umsetzung“ aussagt. In einem Gespräch (Beiheft der Dramaturgie) äußert sich der Choreograph von „Schwanensee – Traum & Wirklichkeit“ kryptisch vage …

„Provinzieller (?) Schwurbelalarm (!)“ sei in Linz hier dringend auszurufen, denn internationale Anerkennung schützt nicht vor missglückten Experimenten – nicht jeder Entwurf ist ein wegweisend genialer Wurf …
Wenn der Alptraum Wirklichkeit wird
Im Falle der Oper bliebe bei fehlender (schlüssiger) Personenführung & partieller Statik auf der Bühne noch immer der Gesang – im Falle des Balletts wird’s da dann eng …
Wenn dem Neuen offenes, williges Publikum mit dem dramaturgischen Beipackzettel bei einer Produktion abgespeist wird, weil ihr Leadingteam es nicht schafft eine Botschaft über die Rampe zu bringen, gibt auch der freudigste Interpretationsjunky unter den geneigten Rezepienten w. o.
Es wird immer wieder gelaufen, gegangen, es werden Shirts über den Kopf gezogen, dann macht man schnell wieder mal den Schwan – Arme nach hinten oben. Und wer darf in dieser Runde das lange Rote anziehen, das kleine Schwarze ist schon vergeben, aber Prinz sein, ist eh schöner als Odile. Also machen wir schnell mal wieder den Schwan, aber eigentlich egal ob irgend jemand im Publikum diesmal unter all den Weißen die neue Odette entdeckt …
https://ms-my.facebook.com/lt1ooe/videos/kein-tutu-schwanensee-ballett-unten-ohne/299899362161854/
Finaler „Regiehöhepunkt“: Ein riesiger Schwan (– wie aus einem überdimensionalen, beigen Unterbett geschnitten) wird am sonst immer leeren Bühnenboden aufgebreitet um dann recht ungelenk hochgezogen zu werden. Dabei senkt sich kongenial ein schwarzes Ebenbild aus dem Schnürboden herab – bewundert von dem am Boden liegenden, nun zum Publikum mutierten Tanzensemble. Wenig später bereits verbeugte sich zu u. a. zögerlichen Missfallenskundgebungen das fast ebenso personell umfangreiche „Kreativteam“ – bewundernswert, wie so vielen Leuten so echt wenig einfallen kann …
Viele Köche verderben nicht nur den Brei
Wenn ich laut Angebot der Speisekarte ein „Herren- od. Fiaker-Gulasch“ bestelle, dann darf ich wohl erwarten, dass mich der Koch mit einem Gulasch samt Gurkerl nebst Spiegelei beglückt. Ist dem nicht so, dann darf ich das eher fragwürdige Gericht zurückschicken. Sollte ein Haubenkoch der Nouvelle Cuisine eine Neufassung dieser Gulaschvariante kreieren wollen, so ist er gut beraten sich dafür auch einen neuen Namen einfallen zu lassen, sonst wird er in Kürze permanent Gäste & Hauben verlieren. Wagners Motto: „Kinder schafft Neues“ bedeutet nicht Arriviertes solange umzumodeln bis es keiner mehr erkennt, sondern definitiv neue Eigenkreationen hervorzubringen. Es sei denn es kennt unter den Gästen niemand mehr die Speise – sprich: Einfach gestricktes Publikum – Jede Erwartungshaltung liegt bei Null, dann ist die Rezeptur egal und die Bedienung kann servieren, was ihr in der Küche aufs Tablett gestellt wird …
– Ganz nach dem Motto: Griesschmarrn statt Malakhov-Torte (- nicht: Malakoff)
Manche Köche haben tatsächlich ihre Meriten und das ist auch im vorliegenden Fall so: Chris Haring ist kein Unbekannter – dies bedeutet aber nicht, dass uns seine Ideen in jedem Fall und bei jeder Produktion schmecken müssen – und auch Begründungen für sein Tun (oder seine Arbeitsverweigerung) sind nicht zwanghaft zu akzeptieren … Prinzipiell ist die Idee Gastchoreographen für einzelne Stücke zu verpflichten gut, weil es Vielfalt ins künstlerische Geschehen bringt. Diesmal hat es leider nicht funktioniert – schade für die unterforderten Tanzcrew, die sich im anderen Fall mehr positives Feedback durch das Publikum hätte erwarten dürfen und sich selbst besser hätte präsentieren können.
Chris Haring baut, ohne auf das Hauptthema des Stückes zu achten, auf zeitlose Themen wie Schein und Sein, Betrug, Täuschung und Enttäuschung – Letzteres stellt sich beim Betrachter ein !
Ich freue mich über jede Inszenierung oder Choreographie jenseits einfältig öder „Reclamfassung“: Siegfried muss nicht von links mit Flügelhelm die Halle betreten – er darf auch hereinschweben, wenn es Sinn macht – egal in welcher Montur, aber schlau muss es sein und damit interpretatorisch für informiertes, mitdenkendes Publikum irgendwie nachvollziehbar. Unredlich wird’s, wenn das Stück sinnhaft nicht mehr erkennbar ist. Wo „Ring“ oder „Schwanensee“ auf der Eintrittskarte drauf steht, muss auch der „Ring“ oder „Schwanensee“ als solcher auf der Bühne zu erkennen sein, sonst Eintrittsgeld zurück und das Publikum ist zurecht verärgert. Da könnte man jetzt sagen: Naja, dann halt neues Publikum – Leute, die nicht wissen was sie bestellen oder denen es egal ist, wie die Zeit bis zum Schlussapplaus vergeht – Gulasch ist Gulasch und wenn wir das Risotto einfach umbenennen – Denen wird’s schon schmecken …
Wenn man den Schwanensee zur Atacama austrocknet, werden all along hier nicht mal mehr diverse Flamingos landen und passend zu unendlicher Beliebigkeit Karl May –Festspiele Einzug halten – Eingefleischte Fans werden allerdings dann wohl anstatt Tschaikowsky das Winnetou-Thema von Martin Böttcher einfordern – und zwar mit unbeugsamen Nachdruck
Linz 022: Wir könnten es, dürfen es aber nicht wollen – oder so:
Nur einmal tanzen die jungen Schwäne in gewohnter Form und Formation, allerdings erst nach Ende ihrer Musik in einem der elektronischen Einschübe, die immer wieder im Original Tschaikowskys angesiedelt wurden – nur da und bei den rein orchestralen Teilen (ohne Tanz) gab es Zwischenapplaus.
Als Publikum sehnte man sich nach einem narrativen Konzept, wie es bei Mei Hong Lin gegeben war, als sie vor 5 Jahren bei dieser Gelegenheit die Biographie des Komponisten ins Spiel brachte:
Wenn jedoch weder inhaltlich erzählt wird, noch durchgehend formal Zusammenhänge mit der Musik hergestellt werden, was bleibt dann? Ein paar gegen die musikalische Vorlage gebürstete, rein konzeptionelle Ideenfragmente, Andeutungen im Verborgenen …
> S C H W A N e r n <
In diesem Sinne präsentiert dazu Chris Haring >Bilder (s)einer Einstellung<

Gleiches Recht für alle:
Man stelle sich vor Dirigent und Orchester würden ähnlich agieren: Spielt irgendwas Unerwartetes, schlüpft in die Rollen der anderen, tauscht Instrumente und Noten, damit es sich mit dem perfekt klassischen Tanz reibt – >kakophon< ohne Gnade. Tamino, Sarastro, Papageno & Co. – Alle dürfen jederzeit in die Rolle der Königin der Nacht schlüpfen – Text egal – Hauptsache Koloratur …

Aussagen wie obige strotzen vor entwaffnender Ehrlichkeit, steigern aber nicht unbedingt das ungeteilte Vertrauen in das Tun & die Kompetenz des Kandidaten …
AM WESENTLICHSTEN ABER WIE IMMER:
SELBER HINGEHEN, ANSCHAUEN & URTEILEN
M P
Wie genial war einstens in diesem Haus „Macbeth“: