Ein Leben – summa cum laude

Am Tag der Urnenbeisetzung

Mondsee

Bei dem Klang, den immer ich verband

Mit meinem Frühling, der vergangen ist,

Sanft geleitet er mich in meinen Winter …

 

Wenn die Don-Kosaken im Spätsommer  in der Stiftskirche von Mondsee auftraten, gab es in den 2000er-Jahren einen fixen Gast unter den Zuhörern – Er war aber auch bei Festspielen anzutreffen und bis zuletzt, wenigstens am heiligen Abend mit der Gitarre im Einsatz  …

parte FDSCN8520Gerade einmal ganze 10 Jahre ist das Fadinger Schulhaus älter als der Doyen dieser Institution, der von seinen 100 Lebensjahren fast die Hälfte als Schüler und Lehrer hier tätig war !  Hundertschaften von Schülern führte er in Mathematik und Physik  an der damaligen Linzer Realschule von der Unterstufe bis zur Reifeprüfung – Viele Absolventen, HTL-Ingenieure sowie Akademiker der JKU und anderer technischer UNIs profitierten von seinem Unterricht  –  darunter auch einige spätere Fadinger (Fach)Kollegen  …

An dieser Stelle herzlichen Dank an alle ehemaligen Schüler, Kollegen und anderen Trauernden , die in großer Zahl zu seiner Verabschiedung kamen, oder sich postalisch mit Worten des Beileids und der Wertschätzung einstellten !

Die Jahre, die ihm zuletzt so „großzügig geschenkt“ wurden, waren nicht nur das Ergebnis seiner bedürfnislosen, gesunden und sportbetonten Lebensweise, sondern vor allem eine gerechte Entschädigung für seine nicht leichte Kindheit und die schrecklichen Kriegsjahre, die in seinem Fall bedeuteten: Deutsche Luftwaffe – Bordfunker sowie Ausbildner von 1940 bis 1944 und anschließend bis 1945: Luftwaffenfelddivision an der Ostfront, wo er schlussendlich in Russische Gefangenschaft kam  …

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Der kleine Karl war Halbwaise ab dem 5. Lebensjahr

Hinein geboren in die krisenhaften Jahre nach dem Ende der alten österreichischen Monarchie und des 1. Weltkriegs, geprägt durch eine starke, strenge Mutter wuchs er auf in einem patriachal bestimmten Umfeld. Er selbst erwähnt in seinen eher knapp gehaltenen Aufzeichnungen den Katecheten , der als damals noch allmächtiger Dorfpfarrer gestreng mit seinen Schülern verfuhr, ebenso wie speziell eine seiner            4 VolksschullererInnen, die für „Bestrafungen“ mit dem Rohrstaberl bekannt war.

Wenn er wieder einmal priesterlich gezüchtigt worden war, konnte es schon passieren, dass Mutter Maria, die Rote Gastwirtin, Trafikantin & Landwirtin die Schürze ablegte und Hochwürden eine Standpauke hielt, dass es ausschließlich ihr vorbehalten sei den Sohn körperlich zu strafen, falls dies notwendig sei  …

Und noch eine weibliche Fürsprecherin hatte der kleine Karli: Klassenkollegin Mitzi verbiss sich in Sympathie für ihn, sowie im eigenen Interesse im Unterschenkel jener sadistischen hohen Geistlichkeit  … daraus wurde eine Freundschaft fürs Leben  …

Erst seinen Aufenthalt bei den Sängerknaben beschreibt er wortwörtlich als nun einkehrende „Normalität“ – Hier entwickelte sich die Liebe zur Musik, der er zuerst     mit der Zither frönte. – Gleichzeitig blieb er aber der wilde, oberösterreichische Bauernbub:  Wie der junge Haydn, der einstens die kaiserliche Baustelle in Wien erkletterte, bestieg der kleine Karl zum Missfallen seiner Lehrer und Erzieher ein Reiterstandbild am Heldenplatz.

Auffällig wurde er aber auch durch seine geistigen Begabungen, sodass der Hauptschüler zur Aufnahmsprüfung aus Deutsch und Mathematik an der Linzer Fadingerschule zugelassen wurde und bravourös bestand. „Nur männliche, würdige respekteinflößende Professoren, die für gute Schuldisziplin sorgen“, schwärmt er noch später: „Fallweise wurden Maturanten als Ganginspektoren eingesetzt“ –  ein erklärtes Ziel des neuen Unterstuflers, der stolz sein „Dunkelblaues Studentenkapperl mit Silber- und später in den höheren Klassen mit Goldborte  trug und es in Kauf nahm, täglich als Bahnschüler in aller Früh aus Wartberg nach Linz und am Abend im Winter erst bei Dunkelheit wieder ins Mühlviertel heim fahren zu müssen. Wie freute sich kleine Realschüler, wenn er eine DG-Arbeit schreiben durfte und es vor den Festern schneite …  Diese Liebe, speziell zu den Naturwissenschaften ließ ihn alles Ungemach vergessen und zielgenau, exakt, diszipliniert mit großem Erfolg seine Matura anzusteuern !

Auch die Malerei hatte es dem leidenschaftlichen Zeichner angetan, wie man auf der Parte sehen kann – das Winterbild ist signiert mit Karl Traunmüller – ein Beispiel für viele  …         Diese Begeisterung für die bildende Kunst wurde ebenfalls in seiner Fadingerschule geweckt !

Wie später seine Tochter Eva spielte auch er bereits als Kind Lehrer: „Ich unterrichtete die Nachbarskinder und benotete sie“. In diesem Sinne nahm Karl 1946 sein Studium, das er in Wien nach seiner Einberufung zum Militär 6 Jahre davor  unterbrechen musste, diesmal in Graz wieder auf und schloss es in kürzester Zeit mit der Mathematik / Physik-Lehramtsprüfung für AHS bereits Anfang 1949 ab. Da er zuerst in diversen Hauptschulen im Mühlviertel zum Einsatz kam, legte er auch noch sieben Prüfungen         für diesen Schultyp ab, bevor er letztendlich 1954 als AHS-Professor an seiner Fadingerschule einstieg und hier bis zu seiner Pensionierung 1982 tätig war.

– Ganz getreu dem Motto: „Einmal Fadinger – immer Fadinger“

Anfangs viele Altlehrer, wenig Junglehrer, nur drei Frauen – liest man in seinen privaten Anmerkungen Trotz spürbarer Alters-Hierarchie spricht er im Rückblick auf sein eigenes Junglehrerdasein und auch in der Folge von wohltuender Kollegialität, wenngleich er eine spürbare Schieflage in der Fächerwertschätzung ortet: Geistes- vor Naturwissenschaft  …  Die später starke Zunahme von Lehrern und Schülern und ein dadurch zu kleines Schulgebäude, die daraus resultierende Aufstockung des Gebäudes (verbunden mit Lärm, Schmutz) goutiert er nicht. Doch Dank des Asyls im Physikkabinett mit 2 Kollegen entkam er dem Platzmangel und der Unruhe im Konferenzzimmer. Eine zunehmende Abflachung der professoralen Gesetztheit durch Sprache und Gehabe mancher Kollegen vermerkt der 53jährige frisch gekürte Herr Oberstudienrat kritisch ab den 70ern  … ein wahrhafter Studienrat, wie er im Buche steht !

Die jungen Fachkollegen lagen dem Einführenden in das Schulpraktikum (Er war an dessen Entwicklung an der UNI Klagenfurt beteiligt) aber bis zuletzt am Herzen und fachlich wahrlich zu Füßen. Nicht nur für sie konnte er sich in unterschiedlichen Gremien, wie dem Schulgemeinschaftsausschuss einsetzen. Er war darüber hinaus beliebter Begleitlehrer bei Schulschikursen, unterrichtete am BFI, an der AMS, engagierte sich für das Rote Kreuz, das ihn mehrfach belobigte – ebenso wie der LSR und das Bundesministerium …

DSCN8530(- zuletzt auf seinem Schreibtisch)

Trotz des beruflichen Engagements, kam aber auch das Private nicht zu kurz.: Schon in der Studienzeit und an der Seite des frisch gebackenen Lehrers war die um 9 Jahre jüngere Elfi zu sehen. Gemeinsame Bergwanderungen und Spuren im Schnee endeten am Traualtar – übrigens mit den Voigts, mit denen man noch viele anderen Wagnisse & Erlebnisse teilt –ebenso wie mit Gerlinde, Lothar & Fritz – sprich: Mit der mittlerweile riesigen Großfamilie ! In seinem 38. Lebensjahr schenkte Elfi ihrem Karl eine kleine Eva, die später in seinen Fußstapfen mit ihm steile Hänge hinunterwedelte und wie er das Lehrerdasein wählte.

Vom Roller war man aufs Auto umgestiegen und so wurde nach der Wartberger Fixzeit in den Ferien auch immer eine kleine Urlaubsreise eingeplant: Italien, Jugoslawien  … in jedem Fall war das Meer fixes Ziel der Jungfamilie. Später genoss man auch diverse Studienreisen & Kreuzfahrten. Mit den Enkeln schloss sich langsam der Kreis dann an der Adria wieder.

Die Brettl schnallte er spät ab, Faustball wurde bis 85 gespielt und beim Schwimmen war nur eine ausdauernder, als er selbst: Seine Elfi ! – Im Sommer war man mit 90 faktisch täglich mit den Voigts im „Pregart’ner Freibad“ bei den Zetis  …

Bis zu seinem 95er fuhr er mit dem Auto und löste die Beispiele zur Mathematik-Matura aller möglicher OÖ. Schulen alljährlich mit Bravour. – Erst ab der „Neuen Einheits-Matura“ verlor er das Interesse daran  …

> Sein 100. Oktoberfest < 

Wer Karl Borromäus getauft wurde, ist schon allein des Namens wegen verpflichtet so verflixt alt zu werden, wie es sich anhört ! Die ehemaligen Schüler feierten ihren „Trafo“ Traunmüller –wie er mit niemals laut ausgesprochenem Spitznamen von ihnen genannt wurde bereits im Vorfeld, indem sie ihn (wie schon oft davor) abholten und hochleben ließen  …

Im Herbst des Vorjahrs war es ihm noch gegönnt seinen 100. Geburtstag im großen Familien- und Freundeskreis, sowie auch mit ehemaligen Kollegen feiern zu dürfen –Rückschau: https://leologeslogbuch.blog/2019/10/11/100-kein-bisschen-greise/    …

Unter den „Offiziellen Gratulaten“:  Fadinger Absolvent Präsident Dr. Leitl, sowie der Landeshauptmann und die Linzer Stadtpolitik, die sich nun in einem Beileidschreiben zurückerinnert:

Sehr geehrter Herr Professor Pilsz!

Es ist mir ein Anliegen, Ihnen zum Ableben Ihres Schwiegervaters, Herrn Prof. Karl Traunmüller am 23.05.2020, mein aufrichtiges Beileid auszusprechen.

Ich ersuche, meine Anteilnahme vor allem auch seiner Gattin Elfriede, aber auch allen weiteren engen Familienangehörigen auszudrücken.

Gerne und mit einem Lächeln denke ich an die Feier zu seinem 100. Geburtstag zurück, die er noch im Kreise seiner Familie genießen konnte und die an einem wunderschönen sonnigen Tag stattfand.

Leider war es Herrn Prof. Traunmüller nicht vergönnt, noch „100 Plus“-Geburtstage zu feiern, aber sein Lebenswerk bleibt in Erinnerung – auch in der Stadt Linz.

Für die jetzt sehr schwere Zeit wünsche ich allen Angehörigen viel Kraft und den so wichtigen familiären Zusammenhalt.

In stillem Gedenken

Karin Hörzing
Vizebürgermeisterin

Altes Rathaus,  Hauptplatz 1,  4041 Linz

Blumen 1 F – man beachte die Signatur des Bildes  …

Von dem Schlaganfall zum 95er hatte er sich gut erholt, begann aber deutlich leiser zu treten. Das schwächer werdende Hörern und Sehen erschwerte die Kommunikation, doch durch TV und Tagespresse blieb er mitten im Geschehen, verfolgte Diskussionen, nahm auch selbst immer wieder Stellung zu tagespolitischen Themen, las Fachliteratur und beschäftigte sich bis zuletzt mit Thematiken des Bereichs der Philosophie und Religion.

DSCN8528(- zuletzt auf seinem Schreibtisch)

In alter, geistiger Frische und für seine „100“ in solider körperlicher Gesundheit, startete der Vater, Groß- und Urgroßvater so mit Zuversicht in sein 2. Jahrhundert  …

Sein erreichter Status: Seit 4 Jahren Urgroßvater eines Jonathans, seit 37 Jahren Schwieger- & stolzer Groß-Vater von Barbara & Alexander, sowie seit 68 Jahren Ehemann seiner Elfi …

Kein Wunder, dass einem so geeichten 100jährigen selbst ein Virus wie Covid 19 nichts anhaben konnte: Er marschierte während der Isolation (wie sein Kollege Captain Tom in England, allerdings seit den Iden des März) täglich bis zu einer halben Stunde durch das langgezogene Vorzimmer seiner Wohnung, ohne deshalb (wie dieser) zum Ritter geschlagen zu werden, dafür aber ohne Rollator, um genau diesen auch in Zukunft nicht zu benötigen.

Sein strebsamer Fleiß wurde jedoch diesmal nicht nachhaltig belohnt:

Auch geistig bis zuletzt auf voller Höhe, ließ er es sich nicht nehmen, für alle Traunmüllers im Weingarten Nr. 3 noch vor Ostern die Steuererklärungen mit der Lupe in der Hand ohne Taschenrechner selbst zu erledigt  …   bevor ihn sukzessive körperlich die Kraft verließ:

„Die Welt wird jetzt für mich immer leiser und dunkler“

hatte er zur Mitte seiner 90er gemeint – ohne zu klagen, nur als Feststellung realistisch in den Raum gestellt. Nun aber im Mai 2020 wurde es für ihn zur finalen Gewissheit: Eintragung in seinem Kalender: Ende des Gehens  …

DSCN8525

Es begann zwar nicht harmlos mit einer Fahrt ins Spital, beruhigte sich aber zu Beginn des Aufenthalts. In der Folge allerdings kam es zu Tiefen und schwächer werdenden Höhen: Der bis zuletzt wache Geist wurde zum Gefangenen in einem Körper, dessen Funktionen sukzessive heruntergefahren wurden.

Bis inkl. 22. Mai hatten wir aber Hoffnung, dass es auch diesmal wieder gut ausgehen könnte. Dann ging ALLES ganz schnell  …  und aus unserer Sicht (sowie nach letzten Äußerungen von ihm) ganz in seinem Sinne  …

2017 kam es zum letzten Besuch seiner Heimat Wartberg anlässlich der „Eisernen Hochzeit“ – Sein Blick ruhte zufrieden auf den vertrauten Fluren neben der weithin sichtbaren, wunderschönen Wenzelskirche:          2017-09-24 15.44.17Hinter der Wegbiegung  –  „Drüben hinterm Dorfe“ war dabei schon >Der Leiermann< seiner „Winterreise“ zu hören  –  Ihm ist er nun gefolgt  …Birken Winter 4 FBild von Karl Traunmüller

Manfred                                                                                                                                                                                                  O mio babbino caro  –  wie schon einmal am Grabe  –  einstens im Jahre 1983

… und zur Weihnachtszeit am Dreikönigstag 2021

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