Meine erste Ferienpostkarte

… kurz vorm 69sten 6. August

Kaum dass die 7. Kerze auf der kleinen Geburtstagstorte ausgeblasen war, musste sich das Volksschulkind von seinen Urfahraner Hinterhoffreunden verabschieden – Ende der alltäglichen, wunderschönen, völlig unbeschwerten Vor- und ausgedehnten Nachmittage in den wilden Gärten an der damals noch kaum befahrenen Linken Brückenstraße. Schotterberge und Erdhügel wurden bestiegen, Frösche quakten im bräunlichen Teich der Lehmgrube – ein Überrest der Baugrube damals noch junger Wohnblöcke in der Leonfeldnerstraße. Dieses Eldorado tauschte der junge Mann gegen eine dreiwöchige Portion Sommerfrische am Attersee. Ein Prozedere, dass sich auch in den dann folgenden Jahren allsommerlich wiederholen sollte: Ein feriales Alarmsignal, denn mit der Torte am 6. August war faktisch die bessere Hälfte der Schulunterbrechung gegessen, weil nach den 3 Wochen Salzkammergut bloß noch eine Woche im Freizeitköcher übrig war …

N u ß d o r f

Den ersten Stock im Wohnhaus der Tischlerei Haberl teilte man sich mit einer Wiener Ärztefamilie. Deren kleine Julia dürfte schon ihre Unterstufenkarriere begonnen haben und somit gab’s kein wechselseitiges Interesse, zumal der Kandidat da schon längere Zeit für die kleine Seejungfrau schwärmte, die leider im Meer lebte, von der Existenz des Linzer Knaben nichts ahnte und ohnehin nur von Märchenprinzen zu träumen schien. Im Salzkammergut war die Dichte junger Damen mit Fischschwänzen generell gering und so wurde dieses Thema somit vertagt – Erst Jahre danach gelang es dieses „Trauma“ mit dem Video „Pannonia erfolgreich aufzuarbeiten und mehrfach ebenso zur Aufführung zu bringen.

Usancen am Urlaubsort

Das frühmorgendliche Frühstück kurz nach Acht, serviert aufs Zimmer in grünem Gmundner Porzellan war eine Verheißung aus dem hauseigenen Hühnerstall in Kombi mit selbst gefertigter Erdbeermarmelade, 6 Kaisersemmeln und Filterkaffee. Der Jüngste bekam heiße Milch (mit Haut) für sein Kaba-Pulver … Und dann folgte gleich zu Beginn der Tiefpunkt des Tages in Form eines elterlichen Begehrs: Der Sohn möge 2 bis 5 Zeilen in ein „Tagebuch“ absondern, sowie ab&an kleine Rechnungen erledigen. Über allem aber schwebte als Damoklesschwert die Drohung es wäre bis Ende der 2. Attersee-Woche eine Postkarte an die Frau Lehrerin zu schreiben … Ein Unterfangen, das erfolgreich tatsächlich bis zum Fristfinale hinausgezögert wurde. Man hatte sich da dann nur einmal verschrieben, die Radierung war tragbar und so ging die Post am letztmöglichen Montag per Trafik auf die Reise. Die Adressatin befand sich zu diesem Zeitpunkt bereits im nicht angekündigten Ruhestand. Ein fast gleichaltriges, pädagogisches „Nachfolgemonster“ lauerte da bereits in den Startlöchern ,,,

Vor fast 62 Jahren:

In der Trafik am Weg zum See gabs jedenfalls Micky Maus und täglich ab 9.30 begann Highlife: Nach 15 Minuten war der Badeplatz erreicht und im nu mutierte der Strand zur Schottersandkiste mit Seewasser, in die man kleine Fische locken konnte, die durch die Dampferwellen wieder befreit wurden. Weniger erfreulich: Die langen Wege zu den Mahlzeiten im Dorfwirtshaus, wo Frau Ablinger (Nachbarin der Pension Haberl) die Suppenportionen auf die Teller verteilte und für Mama den Bierwärmer dabei hatte. Beim Rückweg zum See konnte es sein, dass die Lederfabrik das Becken ausließ, das sich dann stinkend über kleine Wasserfälle im begleitenden Bachbett ein heftiges, akustisches Duell mit dem Sägewerk lieferte, bevor die Brühe an der Mündung neben den Badestegen den See verfärbte ! Für Donaustrandbewohner war das damals kein Problem und für den Junior neben Minigolf, zaghaften Tempi und Tischtennis die einzige Action. Schlimmster Minuspunkt: lauter alte Leute über 14 oder gar 20 – schließlich wollte man den bekannten Zahlenraum nicht verlassen – mit 7, also quasi selbst erst im Zahlenraum von 0 bis 10

Dabei wird ja das Zählen ab 20 einfacher, denn da gibt’s dann kein Elf- oder gar ein „Zwölfundzwanzig“. Der komische Opa wird in 12 Monaten 70 (- sprich 7 & eine Null) und das ist in jeder Hinsicht jenseitig ! Feriales Fischen am Attersee (!) löste übrigens beim jungen Opi mit gerade mal 13 einen intensiven, schriftlichen Mitteilungsdrang aus, der ein vielleicht vorhandenes Talent von unsichtbaren Ketten befreite, sich in der Umsetzung perfektionierte und bis heute weiterentwickelt …

Kindergarten & danach

Als Kleinkind war der Opi nicht in den Genuss eines Kindergartens gekommenen. Kindermädchen kümmerten sich um ihn – auch nicht schwach, aber streckenweise doch eher einsam und ohne eine echte Chance Kinderkrankheiten abzustauben. Das war seiner Volksschulzeit vorbehalten. Erst vor drei Jahren durfte nun auch der Opi wenigstens einmal pro Woche in den Kindergarten gehen, wenngleich auch nur zum Abholen. Welch Glück nun für den Pensionisten: Für ihn war so immer ein wenig Weihnacht, oder Ostern angesagt. – Wie in der Welt von Kindern, die noch kaum fremdbestimmt, nur von Mama oder Papa gelenkt nach innen hin autark, wie in wunderbaren Träumen verläuft. Mit etwa 20 begann sich dieses Tor zu schließen – mit 30 war es vorbei  …Arbeit, Projekte waren notwendigerweise wichtiger – Nur ab & an im Filmen blitzte die Kindheit wieder auf und mit ihr das altbekannte Wunderreich. Jetzt durfte der Vertriebene zurückkehren: Wenn die zwei BESTEN vom Kindergarten, über das „Cafe O.“ mit seinen Ischler Krapferl & Eiskugeln, mit dem „Rasenmäher“ durch das Herbstlaub, vorbei an den drei Häusern mit Loch einbiegen in den „Opa-Enkel-Privatweg“, wo sonst eigentlich niemand gehen darf. Dort beim olfaktorisch argen Pechstrommasten werden die Vögel mit süßen Krapferl- oder Tütenresten gefüttert, bevor es über den Regenwurm-Highway mit „ Monsieur‚“ und Blick auf Omas Balkon ins Tal geht  … Ein 40 Minuten wahrlich seliger „Weihnachtsspaziergang“ – unabhängig von der Jahreszeit, aber natürlich am schönsten zwischen Oktober und April ! Und wenn es dann aus dem „Laufenden Meter“ hervorbricht, unvorbereitet ohne jede Vorwarnung und die geringste Chance dem Gesagten folgen zu können, dann müssen wir es uns zusammenreimen. Nicht er wird uns abholen, denn für ihn ist alles klar – wir sollten uns in der Welt fast 4jähriger zurechtfinden. Leute die sich in der Begleitung von Hammerhai & Krake als Dolmetscher befinden, haben es da natürlich wesentlich leichter. Auch Supermänner wie Siegfried, Spiderman & Co könnten helfen, wenngleich man diese dann mit vielen anderen 3jährigen teilen muss. In den letzten 3 Jahren wichen die Meerestiere den Allerweltstars, die nun die Welt, seine Welt gemeinsam mit ihm retten. – Special Guests: Tom & Jerry <<<

Mein Enkel ist ein Held, doch nur wenn jemand für „Mausi“ das Licht im Vorzimmer aufdreht, sonst wird der Gang ins dunkle Klo auch mit 7 noch zur Eroberung einer Drachenhöhle. Denn ohne „Lagerfeuer“ geht bei Nacht auch nach Jahrtausenden nix – egal, ob fast 70jährige bei Lichtausfall im Keller pfeifen, vielleicht ja (etwas cooler) schimpfen, oder der Erstklässler mit 7 & seinen vielen offenen Fragen des Lebens im Dunklen tappt: Irgend etwas macht immer Angst – Rationales oder Irrrationales – Egal: Angst, die sich mit 20 reduziert bis hin zur totalen Eigenüberschätzung in der „Blüte“ des Lebens und dem gleißenden Licht beruflichen Erfolgs. Spätestens nach der inneren/äußeren Midlife-Krise , dann zum 60er spätestens hat sie uns wieder (egal ob wir’s zugeben oder nicht) – die Dunkelheit kehrt zurück, langsam … Neue Antworten auf alte Fragen erweisen sich als notwendig – die alten waren zu unpräzise, oberflächlich, falsch – Ein träger Tsunami der Ungewissheit bahnt sich dabei den Weg entlang des Philosophenworts nun zu wissen, dass man nichts wirklich weiß und so kriechen neue Ängste der Weltennacht den, durch den Alltag und das Alter abgenützten Körper hoch. Abgeklärtheit und Gelassenheit helfen gegen das immer lauernde Dunkel, Routine /Abkürzungen ersetzen Geschwindigkeit … Ungeachtet dessen werden die wachen Erinnerungsfähigen bewusst oder unbewusst wieder zu jetzt großen und damit eher ungeliebten Kindern – kein gröberes Problem, solange diese für sich selbst sorgen können, nicht vehement zur Last fallen, neugierig und tätig bleiben, sodass sie mögliche, aufkeimende Urängste dadurch vertreiben können. Glücklich jene, deren Religion in der Tradition / im Ritus aufgeht – bereit an sich und sein Tun zu glauben und so im Besitz einer Hoffnung zu bleiben …

Zum Finale: >69 ist übrigens das neue 69< – alles andere ist Schwachsinn !!!

O P I

Nachtrag

Otto und Mimi

Was sie am Vortag im Buchstabensetzkasten mühsam zusammengesucht hatten, mussten die Knaben heute mit gespitztem Blei in Steinschrift (- heute geläufig: Großbuchstaben Druckschrift) auf monumentalen Zeilenblättern nachmalen. Solange die Frau Lehrerin durch die Reihen ging, um das Schreibgerät zu prüfen, hatte man mit den Händen am Rücken zu warten – ebenso dann, wenn die viel zu langsam und unsauber „geschriebene“ Endloszeile von ihr erfolgreich nach Fehlern abgesucht wurde. So wurde aus einer Zeile bei Glück die Zahl 3, bei Pech eine zusätzliche Hausübung. In dieser Frühphase ahnt der so gequälte Schulanfänger noch nichts vom Risiko der Tinte, von Tropfen und Flecken, die die Pelikan-Füllfeder speziell eben beim Befüllen am Tisch (neben dem Tintenfassloch) oder (noch schlimmer) am bereits halbfertigen Blatt verursachte. In der Unterstufe erfolgte in Geometrisch Zeichnen diesbezüglich der Tragödie zweiter Teil mittels der Tücke einer Redisfeder oder des Spritzgitters. Der „Freude“ des Schreibens folgte das leise Gestammel des kleinen Volksschülers, wenn er versuchte sein Geschreibsel zu artikulieren. Noch ahnte dieser nicht, dass dies nicht nur „Druckschriftreif“, sondern auch in lateinischer Schreibschrift und kurzfristig auch „dank“ alter Lesebücher in Kurrent von ihm erwartet wurde … In einer der wenigen entspannten Schulstunden wurden Mitte Oktober rohe Erdäpfel in der Mitte auseinander geschnitten und dann wiederum ein mittiges Rechteck mit dem Messer entfernt, die übrig gebliebene Kartoffel sodann mit den nun „erhabenen“  Seitenteilen in rote Farbe getaucht (oder bepinselt) und final auf ein weißes Papier gedrückt. Das patriotische Ergebnis dieses ersten Kartoffeldrucks war dann in >Rot-Weiß-Rot< amTag der Fahnean den Klassenfenstern der alten Schulbaracke zu bewundern, während drin die mühsam auswendig gelernte Hymne als Kinderchor zu hören war …

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