Dieser BLOG-Beitrag würd‘ sich Lektüre & Betrachtung auf einem großen Screen verdienen
Ausgelöst durch ein Interview mit der derzeitigen Brucknerhaus-Chefin * nach der PK zum Brucknerfest 025 entstand der folgende, thematisch passende BLOG-Beitrag:
Bilder hören – Töne sehen – welch eine Ansage bei der PK des BF 025 – ein begeisterter BLOG-Autor: Ist dies doch auch sein Motto, das er für Musik/Medienprojekte im Fadinger Mediengym einst ausgegeben hatte – übernommen vom österreichischen >Musikfilmpapst< Titus Leber, der ausgehend von seiner Schichttheorie mit dem Experiment „Anima“ (Visualisierung der Symphonie Fantastique von Berlioz) in Cannes 081 Furore machte … Dieses wunderbare Motto ist auch ganz im Sinne von Peter Weibl, der ja eng verbunden ist mit AEC & ARS …
>>> Radio-Sendung mit Johanna Möslinger * zum Thema: https://cba.media/702557
Bei obiger PK wurde Bruckner der Absoluten Musik zugeordnet – Nun bei Meister Anton gibt zwar kein unterlegtes Programm und keine Satzüberschriften wie bei Mahler, sehrwohl aber Brief-Texte, bildhafte Sequenzen – siehe Romantische: Jäger verlassen eine mittelalterliche Stadt und begeben sich morgendlich zur Jagd – sprich: Stadtturmbläser zu Beginn (Linz Schmiedtor?), Meisenruf Zizibe, Tänze usw., VII. Symphonie – Assoziationen zu Wagner – Trauermusik zum 13. Feb 1883, oder VIII. Satz 4 – Rosse stürmen heran …
Grundsätzliche Frage: Gibt es über die Begrifflichkeit hinaus rein Absolute Musik, oder ist nicht eigentlich fast oder faktisch jede Musik mehr als nur Form und Gesetzlichkeit. Sicher nicht für Hanslick, Brahms & Co, für die die sogenannten “Neudeutschen” ein rotes Tuch waren: Liszts Programmmusik, Wagners Gesamtkunstwerk, allein schon die Kombi von Musik & Wort waren nicht kompatibel mit ihren Vorstellungen von emotionsfreien, nur der Form verpflichteten, instrumentalen Werken … In der Hörertypologie Adornos tritt der „Emotionale Hörer“ in großer Bandbreite auf – Sogenannte Experten und „Gute Zuhörer“ sind da weitaus dünner gesät – sprich: Es gibt wesentlich mehr Opernliebhaber, als Kammermusik-Rezipienten … Das Wort kanalisiert emotionale Empfindungen, die die Musik auslöst, verstärkt oder konterkariert – Selbiges passiert mit Bildern und es gibt auch Menschen im großen Auditorium, welche Farben sehen, wenn sie Musik hören, oder Komponisten, die damit gezielt operieren …
Nicht alle Menschen sind Synestetiker wie Kandinsky, Liszt oder Wagner, aber bei den meisten von uns evoziert Musik Emotionen und Bilder im Kopf: Ich hab’ meine Klassen immer erst ohne Vorerklärungen mit Programmmusiken konfrontiert und sie dazu zeichnen lassen, oder im Anschluss sie gebeten beim 2. Durchlauf Geschichten dazu zu entwickeln. Am Endes des Prozesses wurden die jungen Leute dann über die Intentionen der Komponisten & die tatsächlichen Werk-Inhalte informiert. In diversen Visualisierungsprojekten mit Albert Landertinger & dem BOL in Form der Gestaltung von Musikvideos (wie Zauberlehrling od. Baba Jaga) war die gleiche Herangehensweise angesagt …
Die Musik/Bild-Thematik bietet sich an nicht nur junges Publikum „abzuholen“ – Speziell bei sogenannter “sperriger” Musik kann Bild/Laufbild ein valides Hilfsmittel für ein Publikum sein: Musik erschließt sich dem Augentier Mensch leichter durch Bilder (– spez. Laufende Bilder, denn Musik ist jenseits einzelner Noten /Akkorde ja ebenso ein zeitlicher Ablauf …) Schon bei Linz09 war die Wechselwirkung Bild/Ton unter dem Titel Augenmusik Programmschwerpunkt – damals war das Schülerteam des Fadinger Mediengyms (BRG Linz) mit einer Musikvideoinstallation eigener Arbeiten dabei im Brucknerhaus vertreten …
Anmerkung zur Thematik Film & Musik
Stummfilm war eines sicher nicht: Stumm – nur technisch – Musik war das tragende Element: Schon bei der ersten Filmvorführung der Brüder Lumiére am 28. Dezember 1895 im Pariser „Grand Café“ wurden die kurzen Filme durch einen Pianisten musikalisch untermalt. Auch die späteren Vorführungen wurden von Pianisten, Organisten oder Orchestern begleitet. In Linz gab’s vor einigen Jahren wunderbar nostalgische Aufführungen: Metropolis v. F. Lang im Brucknerhaus, Bernhard Fleischmann bei Linz 09 am OK-Platz …
Filmmusik, Musikfilm, Clip
Die Filmmusik ist illustrativ zu Ort und Zeit der Handlung, intensiviert die Bildwahrnehmung, erzeugt Emotionen, kommentiert den Film und verbindet Szenen oder Themen miteinander. Sie soll sich nie in den Vordergrund spielen – es sei denn bei Titelmusik, Nachspann oder im Genre Musikfilm. Bei Visualisierungen steht die Musik im Vordergrund – das Bild hat sich anzupassen (- auch bei Clips)
Richard Wagners Einfluss auf die Gestaltung von Filmmusik wird insbesondere im Bereich des Orchesterklangs und in Bezug auf die Arbeit mit Leitmotiven verortet. Dieser Einfluss wird zumeist darauf zurückgeführt, dass viele der Komponisten, die später in Hollywood einflussreich wurden, in Europa ausgebildet worden waren, bevor sie als Migranten in die USA kamen. Zu nennen sind hier unter anderem der Leitmotiviker Max Steiner oder Erich Wolfgang Korngold …
Die Beziehungen, die Filmmusik mit Filmbildern eingehen kann, lassen sich in drei Kategorien einteilen: in Paraphrasierung, Polarisierung und Kontrapunktierung.
Unter Paraphrasierung versteht Hansjörg Pauli die Musik, deren Charakter zum Bild passt und die bildliche Ebene verdoppelt. Eine typische Paraphrasierung ist das Mickey – Mousing. (Musik – Ersatz für Geräusche od. akustisch illustrativ Bewegungen begleitet – Zeichentrick)
Paraphrasierende und polarisierende Musik wurde schon in der Stummfilmzeit verwendet, da sie der Illusion diente und dem Publikum half, sich in die Filmfabel einzufühlen.
Polarisierende Musik bestimmt durch ihren eindeutigen Charakter den Bildausdruck. So soll Titelmusik das Publikum auf das emotionelle Klima des Filmes einstimmen. (Beginn Shining)
Kontrapunktierende Musik stellt einen Kontrast zum Bild her, um die Identifikation des Publikums mit dem Filmgeschehen aufzubrechen. Ein typisches Beispiel dafür ist die Szene aus dem Film „Good Morning Vietnam“, in der das Lied „What a wonderful world“ grausame Kriegsszenen untermalt.
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Anders funktioniert die Umkehrfunktion zur Filmmusik: MUSIKFILM / CLIP:
Versuch einer Begriffsbestimmung
Beim Musikfilm ist die Musik der wesentliche Bestandteil und Ausgangspunkt des Filmes. Oftmals wurden die Werke lange vor ihrer Visualisierung komponiert. Die Bilder sollen die Aussage der Musik unterstützen oder interpretieren und nicht umgekehrt. Dabei können auch sie synchron, leitmotivisch, verstärkend oder kontrastierend eingesetzt werden. Das gesprochene Wort tritt dabei in den Hintergrund, oder entfällt zur Gänze.
Der Tonfilm hat leider allzu bald die Entwicklung einer Bildsprache im Wesentlichen verhindert und so ist der nonverbale Musikfilm eine neue Chance für eine Eigenständigkeit der Kommunikation auf der Bildebene – die vielleicht letzte Chance im „Kampf der Codes“ (Gute Ansätze: Clips und Cliptechnik im modernen Film) – Film muss nicht immer ein „Hörspiel sein – es könnte sich auch um eine Bilderpartitur handeln, bei der die Gleichzeitigkeit des Hörens eben auch für unser Sehen gilt – kein bloß theoretisches Modell im Ansatz wie bei Eisenstein oder Stanislawski, sondern in praktischer Umsetzung wie in der Musik bei Richard Wagner und im Film bei Titus Leber.“
„Im speziellen Fall müssten sich Bildkompositionen ergeben, bestehend aus vertikal montierten „visuellen Akkorden“ – eine Verdichtung, wie sie in der Musik eben üblich ist. Dem Auge muss zugemutet werden, was für das Ohr selbstverständlich ist: Die Gleichzeitigkeit mehrerer Impulse für ein Sinnesorgan: „Musik zum Sehen“! (Bildschichten, -ebenen, -überblendungen …)
Die Verwendung ungewohnter Bildsprache ruft oftmals Unverständnis im Publikum hervor. Ein Musikfilm sollte daher mehrmals gesehen werden, um immer wieder Neues zu entdecken und zu verstehen. Zumal es auch vielfache Ausdrucksweisen und „Dialekte“ der Bildsprache gibt, um Musik zu visualisieren
Mahler – Ken Russell
Ein signifikantes Beispiel für das Genre Musikfilm ist zweifellos Ken Russells „The Planets“, der in diesem Film dokumentarisches Filmmaterial zur gleichnamigen Suite von Gustav Holst montierte. Im Satz „Mars, the bringer of war“ waren es Ausschnitte aus dem Propagandafilm „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl in Kombi mit Aufnahmen aus einem Stahlwerk. Die Riefenstahl – Soldaten marschieren zum durchgehenden 5/4-Takt. Die einmontierten Portraits des Manns aus Braunau sind exakt auf die eintaktigen Trompetensignale „call to the arms“ geschnitten.“ Dieser Musikfilm gilt als Zivilisationskritik – wie auch „Koyaanisqatsi“.
Die formale Gliederung eines Musikstücks nach Motiven, Themen, Themengruppen … Einteilungen in ein-, zwei-, drei- und mehrteilige Liedformen, Melodiewiederholungen, Variationen, in AAB, ABA, ABACA sowie AA´ usw. – Alles für musikalisch einschlägig „Vorbestrafte“ kein wirkliches Problem. Und auch das Erkennen von programmmusikalischen Inhalten stellt für den wissenden Hörer keine unüberwindbare Hürde dar, da die Inhalte in diesen Fällen ebenso klar wie verbindlich vom Komponisten mit der Musik verknüpft sind. – Wohlgemerkt keine Texte im Sinne von Vokalmusik (Lieder , Musikdrama) sondern Instrumentalmusik mit narrativen Inhalten – wie zB. im Fall der Moldau (B. Smetana), des Zauberlehrlings (P. Dukas), „Bilder einer Ausstellung“ (Mussorgsky/Ravel) …
Die Wechsel-Beziehungen von Bild und Musik können von narrativer Natur sein, sofern die Bildvorlagen selbst einen erzählenden Charakter besitzen, es kann aber auch die Grundstimmung eines Bildes übernommen werden. Der Komponist hat so auch die Möglichkeit, entsprechende Klangbilder zur Struktur und der Farbanordnung des Bildes zu schaffen oder Bildsymbole in Form musikalischer Themen zu übernehmen.
So gesehen kann man Filmmusik auch als Weiterentwicklung von Programmmusik auffassen. Die Kompositionen beziehen sich bei Filmmusik allerdings nicht mehr auf Gemälde oder lyrische Texte, sondern auf bewegte Bilder und gesprochene Dialoge.
Schon zu Beginn der Neuzeit wies Leonardo da Vinci auf die Beziehungen zwischen Musik und bildender Kunst hin: „Musik kann nicht anders genannt werden als die Schwester der Malerei. Malerei ist nicht nur stumme Poesie, sondern auch stumme Musik.“
Peter Weibl: CLIP KLAPP BUM – geniales Video zur Aufarbeitung auch der Historik der Thematik:
In der Folge Textzitate aus dem obigen Weibl-Werk, die auch Verwendung in einer FBA-Maturarbeit (zur Thematik) von E. Völlenkle fanden …
Den Traum von Farbmusik, das heißt, gleichzeitiges Erleben von Tönen und Bildern, gibt es schon seit Jahrhunderten. „Insbesondere um 1900 wollten Musiker der Synästhesie, wie Schönberg, Musik für die Augen schaffen und Maler der Synästhesie, wie Kandinsky, Malerei für das Ohr.“ Diese synästhetischen Empfindungen, also Sehen von Tönen und Hören von Farben, prägten von Beginn an die Entwicklung des Musikfilms.
Ein erster Schritt in Richtung Musikvisualisierung war die Benützung von Farbenklavieren, die dem flüchtigen Ton eine substanzielle Erscheinung gaben. Die stummen Avantgarde – Filme der zwanziger Jahre, der abstrakte, graphische Film Deutschlands und der dadaistische und surreale Film Frankreichs mit seinen imaginären alogischen Bildsequenzen, schufen die erste Musik zum Sehen.
Künstler wie Viking Eggeling, Walter Ruttmann und Hans Richter übertrugen musikalische Formen auf bewegte Bilder und schufen somit „Augenmusik“. Es begann die Entwicklung einer neuen visuellen Sprache ! – Die Erfindung des Tonfilms störte diesen Entwicklungsprozess der erzählenden Bildsprache nachhaltig – Das gesprochen Wort wurde mit dieser Aufgabe betraut – ein gewaltiger Rückschritt !
Triadisches Ballett (O. Schlemmer Bauhaus)
Oskar Fischinger war der berühmteste Vertreter dieser Ton – Bild – Pioniere der dreißiger Jahre, der Musik, wie zum Beispiel „Komposition in Blau“, in sichtbare Ereignisse übersetzte. Er visualisierte Musik mit Hilfe von animierten Formen und Objekten in verschiedenen Farben.
Obwohl Fischingers Biographie bekannt ist, gibt es Unklarheiten, über den Ursprung seiner Gedanken. Diese Tatsache beschäftigt viele Fachleute, unter anderem auch Helga de la Motte – Haber: „Welche Einflüsse, so fragt man sich, hatte beispielsweise die anthroposophische Lehre, die auch bei vielen anderen die Vorstellung anregte, durch farbiges, bewegtes Licht auf der Leinwand den Astralleib der Musik visuell zu veranschaulichen?“ Fischinger hat tiefe Wirkungen auf die amerikanischen Experimentalfilmer und auf die Komponisten Edgard Varèse und John Cage. Seine Gedanken wurden in Disneys „Fantasia“ kommerzialisiert.
Das Video wurde zum Medium des elektronischen Bildes, als man 1956 das Magnetband entwickelte. Musiknummern von Rock´n´Roll – Filmen, Musicalfilme und TV-shows wurden Prototypen für Rock- und Popvideos. Auch in der Avantgarde kamen neue Filmtechniken auf: der Collage- und der Einzelkaderfilm. In den sechziger Jahren verschmolz der Avantgarde – Film mit der Popkultur und erhielt den neuen Namen Underground – Film. Dieser erreichte breite Bevölkerungsschichten. Im kommerziellen Bereich entwickelte sich der unabhängige Autorenfilm. Es entstanden erste Künstlervideos und Computerfilme in den 70gern …
Der österreichische Regisseur Titus Leber perfektionierte zu Beginn der achtziger Jahre die visuelle Vertikalmontage. Für seine „Schichtungsmethode“ werden die Filmbilder überbelichtet, damit man sie zu überlagernden Bildsequenzen montieren kann. Diese Technik verdichtet Handlungsabläufe, dient zur Illustration von Visionen, Träumen oder Wahnsinnsszenen und kann mit großer Leichtigkeit das Unvorstellbare und das Unsagbare darstellen. Durch die Schichtung entsteht ein visueller Akkord.
Univ. Prof. Dr. Erwin Ringel erkannte zwischen der „Schichtungsmethode“ von Titus Leber und der Tiefenpsychologie einige Parallelen: „Ein wesentliches Prinzip der Leber’schen Schichtungsmethode besteht darin mehrere zu getrennter Zeit und an getrenntem Ort aufgenommene Bildeindrücke durch Überkopierung zu einer Synthese zu verschmelzen. Dies entspricht im bildlichen Bereich genau dem Versuch der Tiefenpsychologie, die Gesamtheit der Person durch Zusammenführung der bewussten Oberfläche mit der unbewussten Tiefendimension zu berücksichtigen.“
In seinem Meisterwerk „Anima“ interpretiert Titus Leber Hector Berlioz’ „Symphonie fantastique“. Berlioz’ Programm zu seiner Musik beinhaltet die Geschichte eines Musikers, der zu Beginn seine Geliebte idealisiert, dann ihre Fehler erkennt und daran zerbricht. Der Regisseur bedient sich für seinen Film an den Visionen von Marcel Duchamp, der wie Berlioz den Mythos von der „Junggesellenmaschine“ umsetzte, und zwar in Form des Bildes „Großes Glas“. Der Film drückt das ewig unerreichbare Weibliche ihm Inneren des Mannes aus. Dort entstehen seine Vorstellungsbilder von der idealen Frau, die ihm abwechselnd als Heilige aber auch als Hexe erscheint. Der Mann versucht die Vereinigung der Gegensätze nachzuvollziehen, indem er sich als Braut verkleidet, entfremdet sich damit dem anderen Geschlecht …
Titus Lebers „Schichtungsmethode“ lässt sich ideal mit Videotechnik umsetzen. Und so produzierten wir am Linzer Fadinger Gym im Geiste des Vorbilds Dr. Titus Leber Musikvideos mit Langzeitdoppelbelichtungen auf unterschiedlichen Bildebenen, die synchron auf die Tonebenen der Musik abgestimmt sind. Unsere Film/Video -Gruppe BSG erarbeitet das jeweilige Konzept zur Visualisierung im Musikunterricht – die Umsetzung selbst passiert dann in einer unverbindlichen Übung.
Beim Brucknerfest 2009 wurden Fadinger Visualisierungen im Rahmen der Ausstellung „Augenmusik“ im Brucknerhaus als Installation im Foyer präsentiert:

Um die Technik der Schichtungsmethode näher zu erläutern, sei exemplarisch das Fadinger Musikvideo „Im Auge des Zyklopen“ angeführt:
Grundlage des Videos ist Otto M. Zykans „Odyssee“. Dr. Irene Suchy beschreibt die Musik zu „Der Tod der Freier“ folgendermaßen: „Hier verschmilzt Abstraktion und Bildhaftigkeit zu einer spezifischen, authentischen Einheit. Hier wird Sprache zur Musik ohne Verzicht auf die konkrete Aussage. Der „Tod der Freier“ vermittelt neben der Musikalisierung der Sprache unschwer die Aufregung eines Sportreporters, dem es angesichts der dramatischen Vorgänge den Atem verschlägt…“
Zykans „Der Tod der Freier“ wird im Video mit einem sich drehendem Blutwirbel in der ersten Bildebene umgesetzt. Während Blutstropfen abgestimmt auf die Wortmusik, die vom Tod der Freier berichtet, fallen, erscheinen auf der zweiten Bildebene zwei Gestalten, die um das Schicksal der Helden kämpfen. Während man die Kämpfer noch immer auf der einen Bildebene sieht, blickt man in das blutgetränkte Auge des Zyklopen, in dem man die todgeweihten Freier sowie die gefangenen Mägde erkennen kann.
Natürlich beschränkt sich die Gestaltung von Musikfilmen nicht nur auf die „Schichtungsmethode“. Häufig wird zum Beispiel Animationstechnik angewendet – denken wir nur an „Fantasia“, Beatles – Filme oder an den Kultstreifen „The Wall“.
Alan Parker visualisierte in dem Film „The Wall“ das gleichnamige Musikwerk der britischen Rockgruppe Pink Floyd unter anderem mit Mitteln moderner Videocliptechnik:
Videoclips lassen sich im Wesentlichen in 3 Kategorien einteilen, die allerdings selten in Reinkultur vorkommen: in Formal – & Narrativ – Videos sowie Visualisierungen
Formal – Videos gehen von der musikalischen Form aus und setzen sie ins Bild. Musikalische und visuelle Formteile sind deckungsgleich (zB.: ABA-Form usw. …) Die Bildmontage entspricht der Komposition. Inhalte sind Nebensache oder gar nicht vorhanden: Bildsymbole, geometrische oder räumliche Formen werden mit Personen und Gegenständlichem kombiniert oder treten allein in Erscheinung. Typische Formal-Videos sind Fischingers frühe Animationen oder die ersten Computerclips. In der Kategorie Formal – Video ist auch das Experiment beheimatet.
Narrativ – Videos gehen vom Text aus, versuchen die Stimmung wiederzugeben, entwickeln Handlungen und nehmen meist wenig Rücksicht auf formale Zusammenhänge. Alltägliche Inhalte, Live Style, Werbeclipästhetik, surreale Traumwelten – alle Facetten sind hier anzutreffen. Häufig wird dem Erprobten und dem Klischee der Vorzug gegeben (- häufig bei MTV – Massenware).
Bei der Visualisierung ergänzen sich formale und narrative Elemente zu einem synchronen Ganzen. Dadurch entsteht „Musik zum Sehen“ (beziehungsweise „Bilder zum Hören“). Dieser Kategorie gehören viele Art-Clips an, wie zum Beispiel „Yello“ oder im Bereich Musikfilm Alan Parkers „The Wall“, ein Werk das sich aus vielen Clipsequenzen zusammensetzt, wie auch der Episodenfilm „Aria“ oder wie sie in den Musikerbiographien von Ken Russell (Mahler, Lisztomania usw.) auftauchen – interessante Mischungen von Spielfilm und Musikfilmelementen.

Nicht unerwähnt sollte hier beim Thema Musik & Bild der Name Phil Glass bleiben – Mit jenem berühmten amerikanischen Komponisten durfte unser Linzer Mediengym im Vorlauf zu 09 in Linz ein Visualisierungsprojekt machen … Der Reiz mit lebenden Komponisten zusammen zu arbeiten ist durch nichts zu übertreffen: So entstanden auch Arbeiten mit Otto M Zykan und mehrmals im Kooperation mit Helmut Rogl (- Werke zur Thematik) <<<
Musikvideos/Videoclips – Beispiele:
1. Enrique Iglesias: Hero
Rein narratives Video, eher wie ein Spielfilm aufgebaut (Action), kann kaum als Musikvideo bezeichnet werden. Typisch für damalige Musiksender. Beispiel für Überblendungsphasen im Musikvideo.
2. Britney Spears: Overprotected
Wenig formal, typisches Dancingvideo, Schwerpunkt auf kurzen Bewegungssequenzen, 2 Ebenen: Virtuelle und reale: Reale: „Modenschau“. Sehr schnelle Schnittfolge -> teure Produktion …
3. Ben feat. Gim: Engel
Nicht aufwendig in der Produktion, nur eine Location, guter Übergang von Bluebox ins Reale. Video passt perfekt zur Musik. … 2 Bildebenen.
4. Kate Winslet: What If
Typisch für Musikvideos: Zeichentrickszenen, Animationen im realen Raum. Storyline wie bei Spielfilm.
5. Enya: May It Be
Trailermusikvideo, keine Geschichte, sondern zusammengewürfelte Szenen aus dem Film. Message: Film anschauen, oder: Filmmusik in Bildern …
6. Jeniffer Lopez feat. Ja Rule: I’m Real
Nach dem Motto: “Seht her, ich bin’s”: Eine weitere Modeschau im Musikvideo. Szenen aus dem Alltag – Lifestyle-Video -> Retrolifestyle
7. Robbie Williams feat. Nicole Kidman: Something Stupid
60er-Jahre -Retrolifestyle – Frank Sinatra von heute – narratives Video
8. Luminare
3D-Animation, Minimalmusik – Wiederholungen in Abwandlung: Musik + Videobilder.
9. Malaria: Geld – Money
Avantgarde, Lowbudgetproduktion, sozialkritisch, gescratchte Bildebene – sehr aufwendig, Berliner Underground Produktion
10. OH YEAH – Yello
Experimentelles, artifizielles narratives Musikvideo mit Semidokuanteilen
Natürlich gäbe es im Rahmen und weiten Umfeld dieses Themas noch viele Beispiele der Filmmusik und des Musikfilms, die eine Behandlung oder mindestens eine Erwähnung verdienen würden; selbstverständlich könnten auch noch weitere bedeutende Filmkomponisten wie Mancini, Musikfilm-Verneiner wie Kubelka, Musikfilmemacher wie Adrian Marthaler oder Computermusikvideopioniere wie Ron Hays aufgelistet werden. Da dies jedoch den Rahmen dieser kurzen Überlegungen sprengen würde, sollten wir nun zum Ende der Ausführungen kommen und das Schlusswort einem Komponisten überlassen.
In einem Brief schrieb Otto M. Zykan über unser Musikvideo „Im Auge des Zyklopen“ an das junge Team: „Bilder hören und Töne sehen“ ist meines Erachtens eine sehr treffende Formulierung für das, was „Im Auge des Zyklopen“ vermittelt. Es wird wohl immer der Wunsch von Komponisten gewesen sein, mit ihrer Musik auch Bilder zu evozieren. Für einen „zeitgenössischen“ Komponisten ist es aber geradezu ein Wunschtraum, zumal der sogenannten „modernen“ Musik ja sehr gerne jede sinnliche Komponente abgesprochen wird.“
Manfred Pilsz
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Passend zur Thematik:
„Mahlers Winterreise“: https://leologeslogbuch.blog/2018/05/27/mahlers-winterreise/
Vivaldis 4 Jahreszeiten feiern 025 ihren 300. Geburtstag https://cba.media/571111