Die angenehme, morgendliche Besprechung war eben vorbei und vom „Wiener Frühstück“ grade noch mal ein paar Tropfen des Caffè Latte – Zuckersatzes übrig, dem nun der Löffel nachspürte, während die Gazetten aufgeschlagen wurden, die man sich bereits um 9.00 am Zeitungstisch des Lokals besorgt hatte, um im Anschluss nicht ohne die üblichen Blätter da zu sitzen. Ein weises Unterfangen, da alle anderen Stammgäste des Hauses ähnlich gestrickt waren und so im Verlaufe des Vormittags aus der reichen medialen Palette dann nur noch Massenware zu bekommen war. Es gibt zu Linz viele andere formidable Lokale, die Köstliches zu bieten haben: Venezianische Leber in der „Alten Welt“, Kürbis Lasagne im „Gelben Krokodil“, Crêpes im Schlosscafe, Hausmannskost beim Lehner und beim Lindbauern, wo man im Garten wehmütig mit Blick auf die Schandpfeiler der Eisernen Brücke nachtrauern kann. Die sanft klimatisierte, gedämpfte Bar im Arc, Chinafreuden und Steaks an der Donau, Japan in der Klammstraße, Linz von oben im „Cubus“, am Pöstlingberg und an schwülen August-Nachmittagen im Kernschatten des Wienerwalds (- leider nur noch Geschichte) …
Jede dieser Lokalitäten und viele andere wie der „Eis Greissler“ mit seinem Grießschmarren-Eis haben unterschiedliche, nicht nur kulinarische Freuden zu bieten, aber die innerstädtische Gemütlichkeit, nur getrennt durch eine Hecke von der Hektik und zugleich dem Puls von Taubenmarkt und Promenade, Radios und Nachrichten, geschützt und zugleich offen – das gibt’s nur beim „Traxlmayr“. Selbst im Winter, wenn draußen die Flocken fliegen, existiert diese unvergleichlich brisante Mischung von Zweiertischen, intimen kleinen Runden, dampfenden Kaffee- und Teeschalen, Frühstückseiern, die mit Kulturseiten konkurrieren und auf der anderen Seite: Die mediale Öffentlichkeit mit Mini-PKs, Interviewtischen und Kameras, die mit einem roten Punkt signalisieren, dass etwas mehr Ruhe auch noch genügend O-Ton liefern würde und die Speisenträgerin bitte von der Seite oder derzeit besser gar nicht servieren möge. Im Sommer spielt sich dieses Szenario in der noch großzügigen Weite des gastlichen Gartens ab und an den bevorzugten Schattenplätzen an den Außenwänden des Traxls wird man auch noch von oben durch einen Sprühnebel erfrischt, der allerdings dem Lesestoff gehörig zusetzt.
Richard Wagner war in Dresden noch vor der Revolution gerade mit Lohengrin beschäftigt, als zu Linz 1847 das Traxl eröffnete. Das alte „Stammhaus“ dahinter an der ehemaligen Stadtmauer war gleichzeitig mit dem Theater an der Promenade bis 1803 errichtet worden. In späterer Folge gestaltete der Otto Wagner Schüler Mauriz Balzarek den neuen Kaffee-Pavillons für Wilhelm Traxlmayr. Das mehrfach umgebaute Lokal hat sich bis heute den Charme eines sonst quasi nur in Wien heimischen, typischen > Altösterreichischen < Kaffeehauses erhalten. Das Team des Traxls tut das Seine dazu, um diesem Anspruch gerecht zu werden. Die rötliche Diensttracht signalisiert „Ich bringe jedem etwas, aber darf keine Bestellungen entgegen nehmen, die „Schwarzen“ hingegen nehmen auf, kassieren ab und sorgen für ein gediegenes Klima, das am heutigen Vormittag in himmlischer Weise noch getoppt wurde.
Yamoto Moritake, Bernhard Walchshofer, Josef Herzer & (nicht im Bild) MOVE.ON-Chef Albert Landertinger (Fotograf)
Der letzte Zuckerlöffeltropfen beträufelte die Zungenspitze des eifrig lesenden Gastes, als die Atmo des Traxls zu der eines venezianischen Gran Caffés Quadri oder Caffès Florian mutierte, denn als der vertiefte Genießer aufblickte, standen in einem Tisch Entfernung vier Musiker mit ihren Instrumenten, grüßten herüber und begannen im selbigen Moment auch schon zu spielen. Wunderbare Stücke in Salonmusikfassung, die jede Lektüre unwichtig, ja störend erscheinen ließen. Von Klassik bis hin zu neapolitanischer Folklore spannte sich der Bogen der vormittäglichen, gelungenen Überraschung. Ein Aktionstag mit dem Mitglieder des Brucknerorchesters auf ihre zahlreichen Projekte im Bereich der Musikvermittlung aufmerksam machen wollten, hatte die dankbaren Gastgartenbesucher in erlesener Art und Weise künstlerisch beglückt. Bei den letzten beiden Nummern kam der Bläser und Move.On-Chef des BOL als Gast zum Tisch und Erinnerungen wurden wach an gemeinsame Projekte, die wir hier im Traxl ausgeheckt hatten und die dann mit Schülern umgesetzt wurden: Eine Visualisierung zu Dukas „Zauberlehrling“ und ein Video zur „Baba-Jaga“ (Баба-Яга) mit dem Titel „TraumFabrik“ aus „Bilder einer Ausstellung“ – Musikfilmarbeiten zu denen das Orchester synchron im Brucknerhaus bei Move.On -Veranstaltungen spielte und uns als Anerkennung u. a. Preise beim internationalen >media literacy award< des Unterrichtsministeriums einbrachte …
Nach einer seligen halben Stunde wurden im Café die Instrumente gegen Capuccinos eingetauscht und wenige Takte später kehrte wieder der Café-Alltag im Gastgarten ein. Möge das Brucknerorchester bald wieder in den Straßen und bestimmten Gastgärten von Linz an sonnigen Morgen unterwegs sein …
M. P. – ein Stammgast und Zeitungsleser (- jede Menge gibt’s dort davon)
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