Ein großer schwarzer Hund streicht ums Auto. Zur Sicherheit ruf ich Mag. G. Kügler an, ob es sich um sein friedfertiges Monster handelt und dieses heute bereits ausführlich und gut gefrühstückt hat. Telefonisch beruhigt verließ ich daraufhin vorsichtig meine schwarz/gelbe Cinquecento-Hummel und wurde alsdann lautstark vom Auto bis ins Innere des Hauses verbellt. Erst als sich „Axels“ Gebieter – eine stadtbekannte Stummfilmfigur * im Türrahmen zeigte und er „His Masters Voice“ vernahm, beruhigte sich das gewaltige Schoßhündchen des Linzer Nostalgiekinos – einer Enklave der Ruhe, Beschaulichkeit, einer versunken geglaubten cineastischen Kultur am Donauufer neben dem „Römerbergtunnel“ (Elmira-Stollen) -eingebettet zwischen zwei Laufhäusern …
Im Cafe des „Cinematographen“, wo ich dereinst meinen „40er“ mit Kulinarik, Kino und Kabarett standesgemäß feierte, holte ich nun den physiognomisch in der direkten Verwandtschaft Charly Chaplins angesiedelten Cinemato-Grafen * vors Radio-Mikro.
Hier die Radiosendung zum Thema: Film, Kino und anderes (2. Beitrag nach 30 Min)
Dabei war nicht nur die legendäre Vorführgerätschaft des Hauses ein Thema, sondern auch die Besonderheit der Filmbeschaffung des Repertoires von 1895 bis in die 1960er in filmmusealen Einrichtungen, sowie der aktuelle Eröffnungsfilm „Traumstadt“ von Johannes Schaaf in der ersten Novemberhälfte 017 (- von mir schon angeregt im Frühjahr anlässlich des Kubin-Schwerpunkt der Landeskultur /Oper, Ausstellung …) Und es schloss mit einem Exkurs in die Linzer Filmgeschichte, den wir demnächst im Radio FRO-Studio in voller Breite fortsetzen wollen. Dabei werden wir uns über die Anfänge der Wanderkinos, das zuständige „Vagabunden-Gesetz“, die „Anstandslampe“ und den späteren Einfluss von TV, Internet und des Digitalen auf die Kinolandschaft unterhalten. Auch die lokale Historie soll dabei eine Rolle spielen: Ausgehend von Doku- und Schulfilmen (Urania) im Festsaal der Fadingerschule, der als Kino, ja sogar als Kirchenraum und Ort für Konzerte Verwendung fand, machen wir uns dann auf die Suche nach edlen Kinopalästen, die Logentheatern ähneln, werden dabei allerdings in OÖ. nur im Welser Stadttheater Greif (Österreichische Filmtage) fündig, wo man im benachbarten Medienkulturhaus (MKH) auf das „Kaiserpanorama“ stößt – eine Frühform des späteren Kinos.
Die Geschichte von Kino und Film beginnt in Linz schon am 1. September 1896, als im Rahmen eines Programms in „Roithner’s Varieté“ erstmals in Oberösterreich ein Filmprogramm gezeigt wurde. Bis zur nächsten Vorführung eines Films verging ein halbes Jahr, als im „Hotel zum Goldenen Schiff“ an der Hauptgeschäftsstraße, der Landstraße, für einige Tage das Wanderkino von Johann Bläser gastierte. Zur Eröffnung des ersten ortsfesten Kinos mit regelmäßigem Programm kam es jedoch erst Ende des Jahres 1908. Damals eröffnete Karl Lifka sein „Lifka’s Grand Théâtre électrique“ in jenem Gebäude, in dem bereits die erste Filmvorführung der Stadt stattgefunden hatte, in „Roithner’s Varieté“. Als der Wanderkinobesitzer Johann Bläser in Linz sesshaft wurde, kaufte er das Hotel Schiff, in dem er bereits in den Jahren zuvor hin und wieder Vorführungen gab, und richtete darin ein weiteres festes Kino ein – das „Bio-Kinematograph“, später: „Bläsers Zentral-Kinematograph“.
Das dritte, ortsfeste Kino der Stadt wurde um 1910 vom Varietébetreiber Karl Roithner als „Kino Kolosseum“ gegründet. Erster Standort war die ehemalige Volksfesthalle am Hessenplatz. Nur vier Jahre später musste das Kino jedoch wieder schließen, da das Militär das Gebäude zur Kaserne umfunktionierte. Nach Kriegsende, 1919, erhielt Roithner das Gebäude wieder zurück und richtete wieder sein Kino darin ein. 1928 folgte der erste Umzug. Das „Kolosseum Kino“ zog in die Mozartstraße. 1936 folgte der nächste Umzug an seinen endgültigen Standort am Schillerplatz. Dort wurde das Kino mit vier Sälen bis zur Jahrtausendwende weiterbetrieben. Das „Lifka“, schloss bereits in den 1980er-Jahren. Das zweitälteste Kino, „Bläsers Zentral-Kinematograph“, konnte hingegen sogar die 96 Jahre des Kolosseums noch überbieten. Als „Central Kino“ wurde dieses letzte Kommerzkino unter den drei verbliebenen Innenstadtspielsätten bis zum 28. November 2006, als die finale Vorstellung stattfand, weiterbetrieben. Das Kino schloss nach 97 Jahren fast durchgehenden Betriebes, nur drei Jahre vor seinem hundertjährigen Jubiläum, aufgrund zu geringer Auslastung, bedingt durch die Blogbuster- und Entertainmentcenter Cineplexx und Megaplex am Stadtrand. (Wiki-Kurztext)
Zu den besten Kinozeiten in den 50er Jahren gab es in Linz bis zu 14 Lichtspielstätten: Allein in Urfahr konnte man nach dem „Kirchgang“ in der Friedenskirche einen Märchenfilm oder älteren Streifen im Austria Kino (früher „Raimund“) oder Aktuelles im Klangfilm-Theater Rudolfstraße ansehen. In den Außenbezirken gabs das Johann-Strauß-Kino am Bindermichl, das Universum-Kino in Linz-Untergaumberg, die Lichtspiele Neue Heimat und das Froschberg-Kino. In der Innenstadt ging man ins Zentral, ins Kolosseum am Schillerplatz, das Exzelsior- und Kolping-Kino in der Langgasse, ins Lifka-Lichtspiel-Theater – Steingasse 10, in die Phoenix Lichtspiele draußen in der Wiener Straße (heute Theater), ins Apollo (jetzt Maestro), ins Eisenhand (seit Jahren wechselnder Theaterstandort) in dem sich erst Dick und Doof trafen, die später dort von Erotikstreifen verdrängt wurden, oder schnell mal zwischendurch auf einen Mokka und eine Brise News verpackt in der „Austria Wochenschau“ zwischen zwei Kurzfilmen auf einem alten Holzklappsessel im „Ohne Pause“ in der Mozartstraße oder an der Landstraße (heute Mc Donald) – hier durfte man später kurz vorm Zusperren auch die ersten Artfilme genießen: Mahlers „Kindertotenlieder“ von Titus Leber oder „Lisztomania“ von Ken Russell. Aus letzterem erwuchs „Das andere Kino“ im Generali-Gebäude in dem ich „Anima“ (nominiert für die Goldene Palme) von Titus Leber und ihn selbst erleben durfte. Wenig später (1990) folgte das Programmkino „Moviemento“, das seither gemeinsam mit dem „City“ am Graben das verbliebene cineastische Bollwerk im Stadtkern darstellt. Aus ihm schält sich einmal im Jahr (April) das Festival „Crossing Europe“ – doch dem Imperium von Mag. Wolfgang Steininger inkl. Freistadt (Kabarett/Heimatfilmfestival) möchte ich mich andernorts ausführlich widmen …
Abschließend erneuere ich meine Forderung, die ich schon vor einigen Jahren im Landeskulturbeirat OÖ stellte:
Das Kinosterben hat in der Kulturhauptstadt mit dem Exodus des „Zentral“ den Zenit erreicht. Von der derzeitige Kinosituation in Linz besonders betroffen: Die speziell immer wieder benachteiligte Gruppe der Kinder/Jugendlichen zwischen 10 und 14, die Cine- & Megaplexe alleine noch nicht in Anspruch nehmen kann oder darf … Die noch nicht mobilen Kinder, „NMS-„- und UnterstufenschülerInnen finden in der Linzer Innenstadt derzeit zwar anspruchsvolles Programm -, nicht aber ein sogenanntes Mainstreamkino vor, das diesbezüglichen Bedürfnissen dieser Altersgruppe gerecht wird.
Manfred Pilsz
> Kino der Zukunft < (Diskussion im Rahmen der ARS / Radio)