Festival-Eindrücke und Gedanken eines alteingesessenen Autors & „Jung-Jurors“ „Ist das nun schon der zweite Durchgang?“ Die Frage ließ den Angesprochenen kurz hochblicken und entlockte ihm ein schroffes: „Jo, oba da Hirscha is nu obn“, bevor er dann wieder in seine Leberknödelsuppe abtauchte. Auch die Stammtische rundum widmeten ihre Aufmerksamkeit nach der kurzen, ungewohnten Störung durch einen Fremden hier in ihrem „2. Wohnzimmer“ wieder der Mahlzeit und der sonntäglichen Wintersportübertragung am Fernsehschirm der Gaststube. Die Wirtin schickte beim Abräumen noch ein herzliches „Pfiat ihna“ nach, dann schloss sich die Tür des Beisls. Die köstliche, nunmehr schon traditionelle Milieustudie war damit beendet und ein wunderschön grauer November-Mittag im Linzer Franckviertel brach an. Hier im Zentrum der Wimhölzlstraße steht der Prachtbau der Wohnanlage in Form einer Halbellipse mit Vorplatz und Brunnen. Eckerker mit kleinen Türmchen und Fensterformen aller Art luden auch diesmal wieder zum Schauen und kurzen Verweilen ein, bevor sich ein gesprächsintensiver „Verdauungsspaziergang“ anschloss. Das alljährlich stattfindende Filmfestival „OÖ im Film“ hatte Autoren, Publikum und Jury auch heuer wieder im November an den Linzer Lonsdorfer Platz ins KUK gelockt.
Bereits nach wenigen Metern des Rundgangs war man beim Thema „Jurierung“ und den Nöten und Ängsten der Autoren angelangt. Da hat man an seinem neuesten Opus Wochen, ja Monate lang gearbeitet, dann wird es dunkel im Saal, hinten will einer im letzten Moment raus (ein ansich unfreundlicher Akt), ein Gegenstand fällt klirrend zu Boden, bereits jetzt stellt sich heraus, dass der Film zu leise eingespielt wird und warum ist die Titelschrift nicht hundertprozentig scharf – hat man etwa die falsche Kopie abgegeben? Das wär extrem schlimm, denn da fehlt ja auch das Fadeout beim Abspann – wenn das nur gut geht …
Warum schreibt sich der Juror außen links ständig etwas auf, der soll die Taschenlampe abdrehen und lieber auf die Leinwand schauen, sonst kennt er sich nicht aus und erzählt nachher beim Filmgespräch nur Blödsinn und beeinflusst seine Kollegen … oder bedeutet das Geschreibsel gar, dass er sich schon jetzt festgelegt hat und einfach nur noch Fehler notiert? Können die den Ton nicht lauter schalten? – Freunde, das ist ein Musikfilm – Bilder zum Hören !!!
Ein Jurymitglied das nicht schon selbst einmal als Autor dieses Prozedere einer Fremdbeurteilung über sich ergehen lassen „durfte“, wird vielleicht weniger sensibel an die Aufgabe heran gehen, als ein verletzlicher Filmemacher, der immer wieder bei Jurierungen hoffen darf, dass sein jüngstes „Kind“ erfolgreich und unbeschadet durch allzu harte Kritik über die Leinwand flimmert … Rein geschmäcklerische Kritik, sowie eine durch mangelnde Allgemeinbildung eingeschränkte, subjektive und durch besondere Interessen speziell selektive Wahrnehmung von Jurierenden sind dabei die gefährlichsten Vertreter einer vermeidbaren, vermeintlichen „Gegenseite“.
> si tacuisses philosophus mansisses < – wäre da zwar manchmal gut, aber kneifen gilt nicht, denn so wie sich der Autor der Jury ausliefert, so hat sich auch der Juror den Filmen zu stellen – egal ob dann Gold, Silber oder Bronze dabei herauskommt – begründen muss mans können – und dazu hat man die branchenüblichen, allgemein gültigen Bewertungskriterien zu kennen … wie Regeln der Dramaturgie – sprich Handlungs-, Figuren- & Wirkungsanalyse, Bauformen (Kamera, Ton, Bildinszenierung), Montage …
Eine Jury sollte sich in jedem Fall als „Fach-Publikum“ verstehen. Am aller schlimmsten erscheint uns daher die Mitdenk- und Interpretationsverweigerung bzw. -unfähigkeit einer Jury zu sein, die dann als Selbstschutzmechanismus auch noch stolz und präpotent verbal hinaus posaunt wird – dies kommt einer zur Schau getragenen Unfähigkeitsdeklaration gleich und müsste zur sofortigen Abberufung der JurorInnen führen. Aussagen wie: „Ich kann mit dem Film inhaltlich nix anfangen“ oder „Da kennt sich keiner aus und ich kann (und will) daher diesen Film nicht bewerten“ sind in jedem Fall mit ROT zu ahnden – durch den Vorsitz bzw. die Veranstalter …
Eine JURY ist kein Gericht über, sondern im besten Sinne eine Anwaltschaft für Schaffende und ihre Werke – sicher aber nicht die letzte Instanz !
Sollte es nicht eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, dass Menschen, die in einer Jury tätig werden, über die notwendigen fachlichen Kompetenzen verfügen, sich mit gebotener Empathie, Zurückhaltung & Wertschätzung in den Dienst der Sache stellen und dies letztendlich in angemessener Form analysieren sowie untermauert durch Argumente auch entsprechend verbalisieren können, ohne dabei den wichtigen Unterhaltungsaspekt im Sinne von intelligentem, also echtem Humor (natürlich im Sinne der Autoren) im Vortrag außer Acht zu lassen?!
Nicht alle der oben angeführten dafür notwendigen Parameter lassen sich durch eine im VÖFA zweifellos gute Jurorenaus- und -fortbildung antrainieren. Daher sollte man sich nicht scheuen, Fachleute aus dem Bildungs- & Medienbereich in die Verbandsjury da und dort einzuschleusen, sowie nach Möglichkeit auf eine Ziffernbenotung speziell im Vorfeld von Filmgesprächen zu verzichten. Der Hinweis, dass es ja ohnehin eine Zweitwertung geben würde, macht die Sache nicht besser, zumal von dieser viel zu selten Gebrauch gemacht wird. Meist werden die Erstwertungen durchgewunken, da man sich scheinbar durch Filmgespräche nicht schlauer machen oder gar korrigieren lassen möchte und eine Wertungsänderung, womöglich von „Anderen“ als Eingeständnis des eigenen Irrtums ausgelegt werden könnte.
Ein Plädoyer für Worte statt Noten Usancen sind keine unverrückbaren Naturgesetze
Leider auch hier …
Die dem Jurygespräch, das man lieber als Diskussion innerhalb der Jury und als Dialog mit Autorenschaft & Publikum sehen würde, folgende „Benotung“ von 1 bis 4 oder etwa gar 5 erscheint mir obsolet und sollte –wenn überhaupt- wie im echten Leben der ganz großen Filmfestivals hinter verschlossenen Türen stattfinden – ohne Veröffentlichung von (oftmals sinnlos verletzenden) Teilergebnissen (1,2,2,4,5 bedeutet Silber – die deplazierten 4er & 5er könnte man so aber den Autoren ersparen) Man kann auch von Ziffern nichts lernen – aus Gesprächen sehr wohl und sei es nur, dass man innerhalb der Jury scheint´s überfordert war. Mehr Sonderpreise in Form von kostengünstigen, aber durchaus wertschätzenden Urkunden sollten angedacht werden (- Schluss mit den abwertenden „Diplomen“ & Teilnahmen …)
Wie kann überhaupt ein „Benotungssystem“ mit nur 3 wirklich „erwünschten“ Ziffern der Bewertung unterschiedlichster Genres und Umsetzungen wertschätzend gerecht werden? Pingelige „Beckmessereien“ in Form von Detailwertungen im Zehntel-Bereich verknüpft mit abstrusen Bewertungskriterien (teilw. bei den Eurofilmern) machen die Sache auch nicht besser. Man könnte einfach über Filme profund reden, ohne ein Taferl hochhalten zu müssen. Es lebe der offene Dialog zwischen den Juroren, mit Autoren & Publikum – eben so eine richtige Festivaljury, wie bei der Löwen- und Bärenjagd am Lido oder an der Spree … bzw. auch bei MLA oder Youki …
Wann wird man diesbezügl. „Erwachsen“ und vergisst endlich die „Schulnoten“? – wie beim Festival der Nationen, wo man zwar öffentlich diskutiert, auf das Herzeigen von Benotungsziffern aber verzichtet und das finale Jurygespräch in aller Ruhe unter sich im Kreise von einschlägigen Fachleuten stattfindet, wie es auch bei großen Festivals wie Venedig, Cannes & CO üblich ist – „Hier gilt`s der Kunst“ (Zitat „Meistersinger“) …
Dieses „Erwachsenenprogramm“ sollte und kann man jeder Jury „zumuten“ und dann auch flächendeckend übernehmen (zumal ja auch oft die verbalen Jurorenbeiträge nicht mit deren vager Ziffern-„Benotung“ übereinstimmen – das könnte man allen Beteiligten somit ersparen)
Und überhaupt: „What shalls“ (- wie der „Anglo-Lateiner“ sagt) Sonderpreise und UNICA-Teilnahmen wurden bisher auch immer im stillen Kämmerchen ohne Beisein von Autoren & Publikum vergeben – Alles nur eine Frage der Gewohnheit … Bemerkung am Rande: Warum probiert man bei UNICA-Nominierungen nicht häufiger mit sprachunabhängigen Musik- und artifiziellen Experimentalfilmen zu reüssieren (- für das höchste Gremium der UNICA-Jury sollte das doch kein Problem darstellen – oder?)
Immer wieder im Rampenlicht – speziell auch bei Preisverleihungen: Das Medien-Gym
„OÖ im Film“ war und ist ein notwendiges und dankbares Experimentierfeld jenseits der Tretminen von Klubvorgaben und Paragraphen das mehr als beispielgebend sein könnte. Danke an Konsulent Erich Riess, der seit nunmehr 30 Jahren dem Festival „OÖ im Film“ vorsteht und dieses überhaupt erst möglich macht. Nicht zu vergessen seine Verdienste um das „Festival der Nationen“ in Ebensee, das nunmehr ins Programmkino Lenzing übersiedelt ist und nicht nur über eine Profi-Jury ohne Ziffern als Haltegriffe für die Wertung verfügt, sondern auch bei den Einreichungen aus der ganzen Welt vornehmlich von Filmhochschulen und dem Profilager beschickt wird. Erfreulich da wie dort die eingerichtete Jugendschiene und eher hinterfragenswert, die in Lenzing mittlerweile leider dünn vertretene „Amateurliga“. Bei „OÖ im Film“ ist es diametral umgekehrt und fein säuberlich getrennt, wobei auch hier in allen 3 Kategorien Filme auf höchstem Niveau dargeboten werden. Betreffend Dachverband Dank auch an Präsident Peter Glatzl der den VÖFA modernisiert, Neuerungen aufgeschlossen geöffnet und mit eigenen Ideen bereits viel bewegt hat.
Hier gehts zur FROhen Radio-Sendung
Wenn in Lenzing die Profis groß aufgeigen sollte das nicht abschrecken, sondern viel eher anspornen – dabei gewesen sein zu dürfen ist nicht nur ein olympisches Prinzip, sondern hat in der Geschichte des Schülerfilmprogrammkinos schon bei den Österreichischen Filmtagen im Wels der 80er Jahre seine beflügelnde Gültigkeit besessen. Apropos Jugend- & Schulfilm: Das Thema Jugend ist wie in allen Kulturvereinigungen nicht so verkrampft zu sehen: Bei diversen Bewerben werden die „Digital-Nativs“ verlässlich technisch federführend auftauchen, im Klubleben hingegen wird man die „Vereinsjugend“ eher im Bereich zwischen 55 und 65 verorten müssen, aber das ist bei einem Bruckner oder Wagner-Verein auch nicht viel anders … (- junge „StipendiatInnen“ werden später vielleicht Mitglieder)
Der Verband der Österreichischen Filmautoren stellt mit seinem dichten Klubleben und seinen Bewerben & Veranstaltungen eine wichtige, vielfältige Plattform dar, ohne die die aktiven, begeisterten Filmemacher weder genug Präsentationsflächen noch Fortbildungs- sowie Austauschmöglichkeiten vorfinden würden. Dazu die Vernetzung zu internationalen Vereinigungen, Institutionen und Bewerben wie der UNICA, den Eurofilmern usw. …
Manfred Pilsz
Einer der Siegerfilme 017
Hinweis nur für „Digital Naives“: Worte dieser Farbgebung verstecken Infos, Bilder …, die durch einen linken „Maus-Klick“ aktiviert werden können !
NACHTRAG 019 u. a. zum Thema OÖ IM FILM:Eine Sendung auf dorfTV im Rahmen des Segments der Pädagogischen Hochschule: „Linzer Filmklub AFL – Impulsgeber,Medienplattform und Bindeglied zum kulturellen Umfeld“ —> https://www.dorftv.at/video/32159
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