Nach der wie üblich heißen Sommerdepression war er nun in seinem Herbst-Highlife voll angekommen. Wenn die Donau morgendlich dampft und genüsslich in dicken Wattewölkchen im Flussbett vor sich hin gurgelt, wenn das Mühl4tel in „Indian Summer -Farben“ erstrahlt und die Gastgärten am Nachmittag ohne Sonnenschirme auskommen, meist abendlich mit Wärmeschwammerln und/oder -decken ausgestattet werden, dann ist endlich wieder seine Zeit gekommen.
Jetzt aber empfängt ihn ein eiskalter Windstoss, als hinter ihm die Autotür schwer ins Schloss fällt. Nur noch das Geräusch der Verriegelung, dann wird es still. Im Eck des Schulhofs sieht es so echt verlassen aus, obwohl in einiger Entfernung vereinzelte Fahrzeuge parken. Eine für diesen Ort ungewöhnliche Ruhe, als würde das ganze Haus an einer Schularbeit laborieren. Herbstferien? (– so erfreulich wie 2012) Alle Fenster sind dicht verriegelt. Dafür sorgen wohl die plötzlich aufgetretenen Minusgrade. Jacke zu und den extra langen Schal vor den Mund denkt er. Doch seit kurzer Zeit gilt ja ein allgemeines Vermummungsverbot. Sein Hausarzt urlaubt gerade wieder mal auf einer spanischen Insel. Mit einer ärztlichen Verschreibung wäre ein Wollschal bei dieser Temperatur machbar, aber ohne Fachexpertise … Lachend beschließt er es zu riskieren, denn die aktuelle Grippeimpfung ist noch ausständig und zur Not gibt es unter seinen Exschülern genug Ärzte, die ihn im Nachhinein noch exkulpieren würden. Die Stadt versinkt in einer dicken Nebelsuppe, fehlen nur noch erste fette Schneeflocken und ein wenig Hausbrandgeruch (olfaktorische Kindheitserinnerung der noch frühen 60er in Urfahr) zum vollkommenen Spätherbstglück, wenn nicht die bittere Kälte wär. Selbst dem extrabreiten Schal gelingt es nicht das Gesicht eisfrei zu halten. Aber was solls, nicht jammern während die werktätige Bevölkerung der Arbeit nachgeht, darf der selige Pensionist gemütlich in die Stadt flanieren, wenngleich es heute nicht wie sonst üblich ins Cafe geht. Vor wenigen Tagen saß er noch bei Schokokuchen und einer Melange im „Brückl“ als er wie früher in seiner „Aktivzeit“ zum „media literacy award“ fuhr, einem Jugendmedienfestival (vergleichbar mit der YOUKI Ende November) der ersten Sahne, das alljährlich kurz vor der Viennale im Wiener Dschungel über die Bühne geht – „Vienna calling“ – da war er im vollen Leben: „Hallo Wien“ … ganz anders heute zu Halloween …
Neben dem Zebrastreifen keine ungeduldig wartenden Autos, geschweige denn auf ihm entgegenkommendes Fußvolk. Es ist verdammt dunkel, als er über den kurzen Trampelpfad den „Roten Platz“ erreicht. Eben hatte er noch das Gefühl, dass er von hinten Gesellschaft bekäme, doch da ist nichts. Keine Menschenseele verirrt sich an diesem frühen Vormittag in die Innenstadt. Gibt’s soviel Evangelische, die heute frei haben und lieber daheim bleiben bei dem Wetter?
Und dann ein gespenstischer Anblick: Auf einem übrig gebliebenen Gastgartentisch thront ein überdimensional großer Kürbisschädel. Der geschnitzte Mund und die geschlitzten Augen flackern unruhig, obwohl hier zwischen den Häusern kaum ein Windhauch spürbar ist. Als er die unheimliche Stätte quert, vermeint er hinter sich wieder Geräusche zu hören. Während er unter tags speziell von kleinen Kindern, die aufgeregt an Mutters Mantel zupfen in den Monaten vor Weihnachten als Nikolaus oder Weihnachtsmann wahrgenommen wird, wechseln normalerweise wenn er nächtens nach hause geht in den nicht ganz so hellen Gassen Leute eher ängstlich die Straßenseite. Die die es nicht tun, denen würde er jetzt eher lieber nicht begegnen. Mit etwas rascherem Schritt nähert er sich diagonal der Gasse die ihn zu seinem Ziel bringen sollte. Am anderen Ende des düsteren Zubringers gleitet in großer Entfernung im angemessenen Schritttempo ein erleuchteter Straßenbahnzug vorüber. Dann übernimmt wieder eine alte Straßenlaterne in deren zum Rand hin schwächer werdendem Lichtkreis sich die Umrisse einer einsamen Bank abzeichnen. An sich ein vertrauter Platz, den er mindestens einmal zu Monatsbeginn aufsucht. Meist nützt er sein dortiges Verweilen zu einem informativen Gespräch, ohne ungesunder Hektik. Ein gemütlicher Ort der Ruhe. Doch heute: Schon wieder diese Geräusche, oder ist es Musik? Ja, es könnte eine Spieluhr sein. Dunkle Filmbilder steigen in ihm hoch. Er will sich nicht umdrehen, doch vielleicht kommt es ja von der Bank her. Kurz stockt er, als er einer Gestalt gewahr wird die neben der Bank aus dem Dunkel auftaucht: Eine spitze, rote Kapuze und irgend etwas blitzt darunter auf – eine Figur wie in „Wenn die Gondeln Trauer tragen“?
Oder ist es gar einer dieser idiotischen Horrorclowns? Die Musik wird überfallsartig laut, die automatische Türe der Bank hatte sich geöffnet und er taucht ein in den Weltspartag. Der Pappendeckel-Sparefroh diese traurige Erscheinung neben dem Eingang muss draußen bleiben und bei faktisch Null Prozent Zinsen (bestenfalls angesiedelt im inflationären Promille-Bereich) wird wohl auch die Euro-Maja „Sumsi“ dem Bienensterben & das Sparschwein der Pest anheim gefallen sein – Ebenso ex wie die horriblen Geschenke für anleihen- und anderweitig risikoresistente „Draufzahler“. Der „Weltspartag“: Leider nur eine „Nullnummer“ trotz angeblich prosperierender Wirtschaftszahlen ! In Kinderzeiten war das noch ganz anders: Mit wenig in der Sparbüchse war man hin gegangen und mit einem Sack voller Geschenke wieder nach Hause gekommen. Zuvor hatte man bereits beim „Schulsparen“ abgeräumt …
Josef Hader (ganz kurz „Privat“)
Früher in weltwirtschaftskrisenfreien Erntedank-Zeiten traf man sich allherbstlich im Palais des Kaufmännischen Vereins Ende Oktober & besuchte die:
Maturabälle des Fadinger Gyms …
Nach Urfahranermarkt und Oktoberfeststimmung wurde nach dem Dirndl und der Lederhose nun das „Kleine Schwarze“ ausgepackt, alle Freunde jenseits der eigenen Klassen und die angenehmsten oder unvermeidlichen Verwandten informiert, dass der tollste, ultimative Maturaball der heurigen Saison ins Haus steht. Und so war es auch ! Nachdem man sich Mitte der 80er entschlossen hatte das defizitäre Tanzfest des Fadinger Gyms mittels eines fixen Balldirektoriums aus der alljährlich wiederkehrenden Ahnungslosigkeit und den daraus resultierenden „Roten Zahlen“ zu holen, ging es steil bergauf: Befreit vom Fasching und der übermächtigen Konkurrenz der BORG- und HTL-Bälle konsolidierte sich die Geschichte nach nur zwei Jahren und war ab den 90ern ein Magnet unter den damals ganz frischen Herbstbällen – und nicht genug damit: Immer die „1.“ unter diesen Veranstaltungen, was den Vorteil hatte ein unübersehbarer Fixpunkt zu sein und administrativ konnte man den Ball im Schulgeschehen mit 1. November abhaken – die Sache war erledigt … Nachteil für die Macher: Man hatte wenig Zeit für Vorbereitung, Werbung und Proben, aber das konnte ja dem Schulbetrieb egal sein. Eine Woche davor war allerdings ALLES auf den Ball fokussiert: Hauptproben, kostümierte Werbeumzüge in der Stadt, Proben vor Ort mit aufwändigster Ausstattung unseres Bühnenmeisters & Lightdesigners Ingo, Frau OStR. „Eh“ organisierte, während die Cabaret/Filmcrew performte … Endergebnis: Bis zu 1600 Fans, die die edle Feststiege in kürzester Zeit in eine rutschige Bierschwemme verwandelten. Wegen des Massenandrangs drohte die Polizei regelmäßig den Eingang dicht zu machen bzw. mit „Ausweisungen“ zu beginnen. Unser Herbstball war zum MUSS geworden …
So auch 1993: Das Plakat und das Motto hatten Unmut bei traditionsbewussten Lehrpersonen erregt, was allerdings nichts daran änderte, dass nun allein im Großen Saal über 1000 Leute im Karree stehen, um ja nicht die berühmte 10 Uhr-Einlage der Fadis zu versäumen. Auch bei den dann folgenden Bällen sollte es nicht anders sein: Vorauseilende Empörung, Wagnis und Erfolg sind Geschwister – Beim Motto „Frucade oder Eierlikör“ war der „gefürchtete“ Hermes Phettberg als Ehrengast angekündigt – dem Elternverein platzte der Kragen und das Palais aus allen Nähten –dabei handelte es sich beim ach so schlimmen Hermes doch nur um den Star der eigenen Crew. Die PR hatte jedenfalls funktioniert & die Bude war übervoll …
Egal: 93 war der Rest des Veranstaltungshauses wie leergefegt und fast dunkel, als im großen Hauptsaal das Licht verlosch. Spitze Schreie zerrissen die Luft, als das 20 bis 30minütige Dauerfeuer der Show mit zischenden Nebelschwaden und dem Trauermarsch aus Clockwork Orange abhob …
Blitze durchzucken den Saal, mittig wird ein Sarg sichtbar. Ein kleines Mädel sucht den rettenden Ausgang während „Black Sabbath“ akustisch übernimmt und die Stimmung des Ungewissen anheizt: „What ist this that stands before me?“
Ein greller Blitz donnert durch den Saal – Der Deckel des Sargs springt auf und kracht auf den Tanzboden. Langsam erhebt sich ein skurril geschminkter Manfred R. aus dem Behältnis und Alex B. als Riff Raff (Stars der letzten Generation des Fadi-Cabarets) leitet über zum „Time warp“ aus der „Rocky Horror Show“ – neben „Cabaret“ die häufigst verwendete Musik bei den Produktionen des Hauses ( „Fadi Horror Show“, „Das Phantom mit dem Koffer“ … )
Manfred Pilsz
Samhain Halloween (Bälle) Dia de Muertos
Hinweis nur für „Digital Naives“: Worte dieser Farbgebung verstecken Infos, Bilder …, die durch einen linken „Maus-Klick“ aktiviert werden können !
Anfang November gab’s alljährlich: OÖ im Film https://cba.fro.at/457531
Pingback: Die „B S G“ – BühnenSpielGruppe (90er) | LEO LOGEs LOGBUCH