Verachtet mir die Meister nicht !

KOTHNER

Der Sänger sitzt !

BECKMESSER

Fanget an !

Kaum ein musikdramatisches Werk Wagners bietet soviele Linz/OÖ-Bezüge wie „Die Meistersinger“

Der legendäre Schustermeister Hans Sachs (Hauptfigur der obigen Oper) schrieb als wandernder Geselle im nahen Wels 1513 vor nunmehr genau 510 Jahren seine ersten Meisterweisen. Gemeinsam mit dem zweiten großen Zentrum dieser Sangeskunst in der Stadt Steyr, machte Wels Oberösterreich zur wichtigsten heimischen Region der Meistersingerei, die keinen diesbezüglichen Vergleich mit all den süddeutschen Metropolen scheuen muss. Wirtschaftlich prosperierten diese zwar mehr, da sie keinen Gegenwind der Herrschenden verspürten, aber künstlerisch war man auf Augenhöhe und durch die Walz fand ein reger Austausch statt: In Nürnberg wurden Meisterlieder aus Steyr gesungen …

Der Meistersang ist eine Kunstpraxis der frühen Neuzeit und ruht auf drei Säulen: Dem Zunftwesen, der frühneuzeitlichen Stadt und der Reformation. Der Meistersang hat sich bei uns in den Kronländern nur in Mähren und in Oberösterreich bemerkenswert entwickelt und eine Zeit lang gehalten. Zwei Städte verschafften durch europaweit industrielle Bedeutung ihren Zünften Wohlstand und Selbstbewusstsein, Iglau mit seiner Tucherzeugung und Steyr mit dem Metall verarbeitenden Gewerbe. In zwei weiteren garantierte deren Stadtherrschaft der lutheranischen Gesangspraxis den nötigen Rückhalt, in Eferding die der Starhemberg, in Wels jene der Polheim – damals war dort im Schloß die „Singschul“ – heute residiert in den Gemäuern die Musikschule der Stadt.

Fast auf den Tag genau 155 Jahre nach der UA des Festwiesenfinales (Ende 3. Akt Meistersinger) am 4. April 1868 durch Anton Bruckner mit seinem Sängerbund „Frohsinn“ im Linzer Redoutensaal, findet heuer am 8. 4. die Festpremiere im glanzvollen Rahmen von 10 Jahre Musiktheater am Volksgarten statt.

Wann dann die Flur vom Frost befreit,
und wiederkehrt die Sommerszeit,
was einst in langer Wintersnacht
das alte Buch mir kund gemacht,
das schallte laut in Waldes Pracht,
das hört ich hell erklingen:
im Wald dort auf der Vogelweid
da lernt ich auch das Singen.

Ein Höhepunkt für jeden Linzer/OÖ. Wagnerianer wird diese österliche Meistersinger -Jubiläumspremiere. Die musikalische Leitung obliegt dabei natürlich Maestro Markus Poschner, der im Vorjahr die Neuinszenierung des Tristan in Bayreuth mit großem internationalen Erfolg (Eröffnungsvorstellung/Weltweite Radioübertragung <<< ) dirigierte. Heuer wird Poschner am Grünen Hügel abermals das Tristan-Dirigat & ein Open-Air-Konzert übernehmen.

Alteingesessene Wiener Opernfreunde kennen die wahrlich feine Musik- und Theaterzeitschrift „Der Merker“ (1909 – 2022) – und jetzt den formidablen Online-Merker … Der Name leitete sich vom Merker, dem Beckmesser in Richard Wagners Oper „Die Meistersinger von Nürnberg“ ab. Der Bewahrer & i-Tüpferl-Reiter Beckmesser wurde der Inbegriff für rückwärtsgewandte, kleinliche Kritik: Im Bruckner-Jahr 024 wird in jenem Zusammenhang wohl oft der Name Eduard Hanslick fallen, der den Wagnerianer aus Ansfelden durch seine „Beckmessereien“ zur Verzweiflung brachte. Ursprünglich hieß die Figur des Merkers: Hans Lick / Hanslich ein Wagner’scher Wink mit dem Zaunpfahl, den der Komponist betreffend Endfassung des Opernwerks schlauerweise unterließ.

BECKMESSER

Ein saures Amt,
und heut zumal!
Wohl gibt’s mit der Kreide manche Qual!
(Er verneigt sich gegen Walther.)
Herr Ritter, wißt:
Sixtus Beckmesser Merker ist;
hier im Gemerk
verrichtet er still
sein strenges Werk.
Sieben Fehler gibt ein Euch vor,
die merkt er mit Kreide dort an:
wenn er über sieben Fehler verlor,
dann versang der Herr Rittersmann.

Der Merker ist im Meistergesang jene Person, die die Berücksichtigung von Kunstgesetzen prüft – im Minnesang die typische Figur des Aufpassers und „Liebeverhinderers“ …

 „Die bürgerliche Minne“

Der Meistersang hängt in seiner Auffassung von Sprache und Dichtung an der Welt des alten Handwerks, sowohl in seinen kulturellen Praktiken als auch in der strengen Regulierung der „richtigen“ Kunst. Das poetisches Formenspektrum geht auf die „zwölf Meister“ zurück, also der Poeten des (späten) Mittelalters, darunter Walther von der Vogelweide, Klingsohr, Konrad von Würzburg usw.

So wie der bürgerliche Meistersang in den aufblühenden Städten die Nachfolge des höfischen Minnesangs antrat ( – siehe u. a. die > AAB-Form < des Minne- oder Meistersangs), so ist bei Wagner das Satyrspiel der Meistersinger dem Tannhäuser entsprungen: In beiden Werken > gilts der Kunst <  Weitere Parallelen werden schnell sichtbar: Zwei Bässe – sprich: Der Landgraf von Thüringen auf der Wartburg des 13. Jahrhunderts und Goldschmied Veit Pogner Mitte des 16. Jhds. zu Nürnberg an der Pegnitz bestimmen die Soprane Nichte Elisabeth und Tochter Eva jeweils als Preis für ein Wettsingen, das die Tenöre Heinrich und Walter mit mehr oder weniger Erfolg bestreiten. Die Baritöner Sachs und Eschenbach sorgen für einen „versöhlichen“ Ausgang …

Während selbst Kunz Vogelgesang, Walther von der Vogelweide, sowie auch die vier Edelknaben,  Lehrbuben und Chöre ihre Entsprechung finden, bleiben David, Magdalena, Venus und Beckmesser diesbezüglich „außen vor“ …

Selbst Johann Nestroy nahm sich des Wagner’schen Minne-Stoffs an und schuf die Parodie „Die Keilerei auf der Wartburg

Im 19. Jahrhundert taucht in OÖ die Frage auf: „Wer war Heinrich von Ofterdingen, den die Meistersinger zu ihren zwölf alten Meistern zählten“? Diese wurde literarisch beantwortet:

Tannhäuser ein Oberösterreicher?

Der zur schreibenden Zunft gehörende Anton Ritter v. Spaun (Bruder Joseph war ein Freund und Förderer von Franz Schubert) machte in seinem eher „mutmaßenden“ Buch „Heinrich v. Ofterdingen und das Nibelungenlied“ (verfasst in Linz 1840) diesen zu einem Angehörigen des heimischen, traungauischen Geschlechts der Freien von Oftheringen (am westlichen Abhang des „OÖ. Waldgebirges“ Kürenberg) zu einem Sohn des 1161 urkundlich bezeugten Adelram von Oftheringen und schrieb ihm (gleich Schlegel) das Nibelungenlied, sowie außerdem auch noch den Laurin, Biterolf und die Klage zu. Wenig später (1880) verschmolz Julius Wolff in seinem Epos Tannhäuser gar Heinrich von Ofterdingen, den Kürenberger & eben Tannhäuser in der Trinität einer lebenden Figur zum (OÖ ?) Dichter des Nibelungenliedes.

Was blieb vom Herrendienst, Frauendienst & Gottesdienst der Ritter

Insgesamt versteht sich der Meistersang in der weitestgehend religiösen Thematik seiner Lieder auch als Gottesdienst – gesungen wurde in Kirchen. Im späteren, idealtypischen Fall wurde die Meistersingerei in Form regelmäßiger Singschulen betrieben.

Das Regelwerk der Meistersinger wird als „Tabulatur oder Schulregister“ bezeichnet (Puschmann 1888, 2. Tractat, 10). Eine Barstrophe (Formschema A-A-B) setzt sich zusammen aus dem Aufgesang, bestehend aus dem Stollen (A) (auch Gesätz genannt) und dem metrisch und musikalisch gleichen Gegenstollen (auch Gebäude genannt), sowie dem Abgesang (B)

DAVID

… die Frösch, die Kälber-, die Stieglitzweis‘, die abgeschiedne Vielfraßweis‘; der Lerchen-, der Schnecken-, der Bellerton; die Melissenblümlein-, die Meiranweis‘, gelb Löwenhaut-, treu Pelikanweis‘; die buntglänzende Drahtweis‘ …

WALTHER

Hilf Himmel! Welch endlos Tönegeleis!

DAVID

Das sind nur die Namen; nun lernt sie singen, recht wie die Meister sie gestellt. Jed‘ Wort und Ton muß klärlich klingen, wo steigt die Stimm und wo sie fällt; fangt nicht zu hoch, zu tief nicht an, als es die Stimm erreichen kann. Mit dem Atem spart, daß er nicht knappt, und gar am End ihr überschnappt; vor dem Wort mit der Stimme ja nicht summt, nach dem Wort mit dem Mund auch nicht brummt. Nicht ändert an Blum und Koloratur, jed‘ Zierat fest nach des Meisters Spur. Verwechseltet Ihr, würdet gar irr; verlört Ihr Euch, und kämt ins Gewirr: wär‘ sonst Euch Alles auch gelungen, da hättet Ihr gar versungen!

Auch die Karrieren sind dem Handwerk nachgebildet, denn analog zu Lehrjahren, Gesellen- und Meisterprüfung rückt der Meistersänger vom Schüler, der „die Tabulatur wissen“ muss, über den „Dichter“, der auf eine fremde Strophe und Melodie ein neues Lied machen kann, zum „Meister“ auf, der einen neuen „Ton“ erfunden hat. Und schließlich sind die geselligen Praktiken des Meistersangs handwerklich: Das Zusammentreffen und Wettsingen, das Beurteilen durch den „Merker“ und die Auszeichnung der Gewinner.

Wahn! Wahn!
Überall Wahn!

Wohin ich forschend blick
in Stadt- und Weltchronik,
den Grund mir aufzufinden,
warum gar bis aufs Blut
die Leut sich quälen und schinden
in unnütz toller Wut?

Ein Kobold half wohl da: –
ein Glühwurm fand sein Weibchen nicht,
der hat den Schaden angericht’t. ­
Der Flieder war’s: –
Johannisnacht! 

Auf Schloss Wildberg gab’s eine Zeit lang alljährlich zum Auftakt des Musiksommers in alter Fadinger Kabarett-Tradition zum Gaudium des Publikums als Stationentheater die „Johannisnächte“ <<< (hier klicken)

M P

Hier noch als Bonustrack: „Volkseigener Wagner“ <<< (Bronner, Wehle)

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Wohin ich forschend blick
in Stadt- und Weltchronik

2 4 . F E B R U A R

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Obiger Beitrag als R A D I O SENDUNG <<<

Jahresrückblick 022 <<<

Auf der Donau zu Linz schwammen früher die Baggerschiffe Fasold & Fafner (Wagnerianer bei der DDSG) und es ankert wie in alten Zeiten die Pegnitz (Fluss in Nürnberg) auch derzeit im Winterhafenbecken …

2 Gedanken zu “Verachtet mir die Meister nicht !

  1. Eine Frage an den Fachmann, bitte! Am Landestheater Linz gab es eine Meistersinger-Inszenierung vor vielen Jahren, damals natürlich noch in der Bescheidenheit des Großen Hauses. Ich erinnere mich (als Schüler, der ich sie sah und hörte) an Alfred Muff als Hans Sachs. Wer noch war besetzt? Vor allem als Beckmesser – ich hab´ den Sänger noch in Erinnerung, nur sein Name ist mir entfallen. Danke vorab!! Liebe Grüße!!

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